Ann Petry: The Street

Die Straße. Aus dem amerikanischen Englisch von Uta Strätling. Mit einem Nachwort von Tayeri Jones, Nagel & Kimche 2020, 364 S., € 24,-, TB dtv 2021, € 13,-

(Stand Nevember 2021)

Petry_Ann_The_Street_Danteperle_Dante_ConnectionHarlem in den 1940er Jahren, in der windumtosten 116th Street schaut sich Lutie Johnson in einem heruntergekommenen Haus, in dem Schwarze wohnen dürfen, eine überteuerte Wohnung an. Wie in einem Noir lässt das nichts Gutes ahnen. Lutie ist eine junge Frau, die etwas ganz Durchschnittliches will, einfach ein anständiges zufriedenes Leben führen. Dafür ist sie bereit, große Kompromisse einzugehen. So hat sie lange weit entfernt von New York, ihrem Mann und ihrem Kind als Hausangestellte bei einer Weißen gelebt. Das hat ihre Ehe nicht verkraftet und nun ist sie bereit, für sich und ihren Sohn zu kämpfen, koste es, was es wolle – typisch amerikanisch eben. Doch ist sie nicht nur eine Frau, die alle Formen des Sexismus erfährt, die rassistische Gesellschaft torpediert all ihre Anstrengungen, die Situation für sich und ihren Sohn zu verbessern. Minutiös und ergreifend schildert die Autorin in ihrem Debüt, das 1946 riesiges Aufsehen in den USA erregte, wie sich die verschiedenen Formen der Ausgrenzungen miteinander verzahnen, wie letztendlich alle Bewohner*innen dieser Straße ihrem sozialen Status nicht entkommen können, so sehr man vor allem Lutie einen Ausweg wünschte. Das hat leider nicht an Aktualität verloren. Dieser berührende Roman brennt sich richtig in einem ein. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Karosh Taha: Im Bauch der Königin

Dumont Verlag 2020, 250 S., € 22,-, TB Juli 2021, € 12,-

(Stand Juli 2021)

csm_9783832183943_d4c18be1fbYounes, 17, hat sich einen Panzer zugelegt, nichts lässt er an sich ran, keiner legt sich mit ihm an. Dabei ist er immer korrekt, freundlich, will keine Angriffsfläche bieten, denn die bietet seine Mutter Shahira schon zur Genüge. Alleinerziehend, freizügig und selbstbewusst, von den Männern begehrt und umgarnt, von den Frauen gehasst, ist sie stete Provokation in der traditionellen kurdisch-irakischen Community irgendwo im Ruhrgebiet.
Zwei teils entgegengesetzte, teils einander in Motiven spiegelnde Geschichten enthält dieses Wendebuch, zwei mögliche Realitäten, erzählt von Younes Freunden Raffiq und Amal. Doch welche Richtung die Handlung auch nimmt, immer sind die Jugendlichen mit Shahiras provozierender und befreiender Gegenwart konfrontiert und müssen am Ende ihre eigenen Entscheidungen treffen.
Ein raffiniertes Spiel mit Erwartungen und Vorurteilen sowie ein ungekünstelter Blick auf die vielschichtigen Herausforderungen an die junge Generation, die zwischen den Kulturen und Geschlechterrollen ihre eigene Identität sucht. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Elizabeth Gilbert: City Of Girls

Aus dem amerikanischen Englisch von Britt Somann-Jung, S. Fischer Verlag 2020, 496 S., € 16,99, TB Juni 2021, € 12,-

(Stand Juni 2021)

Gilbert_Elizabeth_City_Of_Girls_Danteperle_Dante_ConnectionAls ich dieses Buch fertiggelesen hatte, wollte ich unbedingt mehr davon. Plötzlich verstand ich, wie manche Bücher zu Weltbestsellern  werden. Zugänglich, voller spannender Charaktere, mit einem vielschichtigen Inhalt und einer Handlung, die von der ersten bis zur letzten Seite überzeugt… Dies alles und noch mehr hat City Of Girls.
Erzählt wird die Lebensgeschichte von Vivian, die 2010 über neunzig ist und seit 1940 in New York lebt. Die Stadt hat ihre Existenz tief geprägt: Sie begleitet die Leser*innen auf eine Zeitreise durch unglaubliche, turbulente Ereignisse, die so präzis und leidenschaftlich dargestellt sind, als ob sie wirklich stattgefunden hätten. Vivian ist ganz jung aus der Provinz nach New York geschickt worden und entdeckt eine neue Welt: Die des Theaters, dank ihrer Tante Peg, die einen kleinen Saal leitet und ihr einen  Job als Kostümbildnerin anbietet. Theater heißt Glamour, wildes Nachtleben, Schauspielerinnen und Gangster, Cocktails und Jazz. So fängt diese Geschichte an, und viel ist dann noch zu erleben…
Eine leichte, dennoch tiefgehende und vielseitige Lektüre, die auf eine ganz besondere Art und Weise amüsiert. (Giulia Silvestri)

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Stefanie Höfler: Helsin Apelsin und der Spinner

Roman für Kinder mit Bildern von Anke Kuhl, Beltz Verlag 2021,TB-Ausgabe, 208 S., € 8,-, ab 8
(Stand März 2022)

Höfler_Stefanie_Helsin_Apelsin_Danteperle_Dante_connectionEigentlich ist Helsin ein fröhliches, gut gelauntes Mädchen, aber manchmal oder eigentlich ziemlich oft überfällt es sie einfach so. Von einem Moment auf den anderen hat sie eine enorme Wut, die mit aller Macht aus ihr herausmuss. Alle aus ihrer Umgebung haben sich darauf eingestellt, ihre Eltern, ihr Freund Tom, ihre Lehrerin, die anderen in der Zwergen-Klasse. Und in genau diese kommt neu der Junge Louis, der auf Helsins ungewöhnlichen Namen Blödes reimt. Das reizt Helsin total, ihr „Spinner“ lässt sie toben und auf Rache sinnen. Was dann geschieht, soll hier nicht verraten werden, nur dass sie es bald selbst nicht mehr unter Kontrolle hat und in einen Taumel aus Schuld, Wut, Ablehnung, Reue und Sympathie gerät. Die Geschichte zwischen ihr, Louis und Tom nimmt dann so rasant und überraschend an Fahrt auf, dass die prägnant zusammenfassenden Kapitelüberschriften der Autorin mit den genial-witzigen Bildern der Illustratorin einen immer wieder Atemholen lassen und gleichzeitig zum sofortigen Weiterlesen animieren! (Stefanie Hetze)
Bei dtv gibt es das Buch ungekürzt gelesen von Eva Mattes!

Blick ins Buch

Und hier liest die Autorin höchstpersönlich aus ihrem Buch!

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Jean Stafford: Die Berglöwin

Aus dem amerikanischen Englisch von Adelheid und Jürgen Dormagen, Dörlemann 2020, 352 S., € 25,-

(Stand März 2021)

Stafford-Berglöwin-US-6.inddRalph und Molly sind die jüngsten Kinder einer amerikanische Mittelstandsfamilie. Wild, frech und spröde, fühlen sie sich einander auf symbiotische Weise verbunden und ihren großen, eitlen Schwestern sowie ihrer zimperlichen Mutter nicht zugehörig. Als sie mehrere Jahre hintereinander den Sommer auf der Ranch eines Onkels verbringen dürfen, scheint dies für sie zunächst ein unerwartetes Glück. Doch der zwei Jahre ältere Ralph schließt sich mit Beginn der Pubertät dem bewunderten Onkel an und Molly, die sich verraten fühlt, driftet immer mehr in ihre eigene störrische Welt ab. Schleichend baut sich in diesem 1947 erschienen Meisterwerk eine zum Reißen gespannte psychologische Spannung auf. Ein großes Stück Weltliteratur der heute fast vergessenen Pulitzerpreisträgerin, das es wiederzuentdecken gilt. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Graham Swift: Da sind wir

Aus dem Englischen von Susanne Höbel, dtv 2020, 160 S., € 20,-, TB 2021, € 11,-

(Stand September 2021)

Swift_Graham_Da_sind_wir_danteperle_Dante_Connection_BuchhandlungDas Cover, ein stark vergrößerter Papagei, zieht einen vielleicht nicht gleich an, doch dieser schmale Roman hat es in sich. Wir befinden uns auf unsicherem Boden, dem meerumtosten Pier von Brighton, Ende der Fünfzigerjahre, als nach dem harten Krieg, noch vor dem Fernsehzeitalter die Menschen im Varietétheater rasche Zerstreuung suchten. Jack, der Conférencier, liebt Evie, die hinreißende Assistentin und Verlobte seines Freundes, des Zauberers Ronnie. Während Ronnie als Pablo auf der Bühne versessen an der perfekten, nie dagewesenen Illusion arbeitet, hat Jack, der sich in den Zuschauerraum stiehlt, nur Augen für die schöne Evie. Der Autor Swift lässt dieses hochexplosive Dreieck nicht einfach befreiend auseinanderknallen, stattdessen lässt er Ronnie spurlos wie den Papagei (!) aus seiner Show verschwinden. Auch in den fünfzig Ehejahren von Jack und Evie taucht er nicht mehr auf, hat quasi mit seinem eigenen Verschwinden die höchste Stufe der Illusionskunst erreicht. Dabei würden wir doch wie bei einem Zauberer so gerne ganz viel von ihm wissen. Magisch hält Graham Swift diese Spannung in der Schwebe. Eine absolute Empfehlung. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Mary MacLane: Ich erwarte die Ankunft des Teufels

Aus dem amerikanischen Englisch und mit einem Nachwort von Ann Cotten, Reclam 2020, 206 S., € 18,-

(Stand März 2021)

MacLane1901 ist Mary MacLane 19 Jahre jung und lebt in einer kleinen Bergbaustadt in Montana. Von der ersten Seite an springt der in Tagebuchform verfasste Text uns an, leidenschaftlich, ungestüm, mit jugendlicher Überheblichkeit und doch reflektiert spricht hier eine Frau, die an den Konventionen, der Bigotterie und Verlogenheit ihrer Zeit und der Provinz leidet, sich unverstanden und einsam fühlt und doch weiß, dass sie zu mehr bestimmt ist. Verzweifeln möchte sie an der Begrenztheit der Möglichkeiten, die ihr das Leben bietet, sie weiß „Ich kann fühlen“ – „Ich bin ein Genie“ schreit sie heraus, und bietet uns einen Blick in ihr Innerstes, das nur darauf wartet, leben und lieben zu dürfen, in einer sehnsuchtsvoll-poetischen, hoch rhythmischen, kraftvollen Sprache, die uns mitreißt wie ein Sog, aus dem wir erst mit der letzten Seite wieder auftauchen.
Mary MacLane sorgte mit der Veröffentlichung des Buches für einen Skandal. Sie verließ die Provinz, lebte offen bisexuell und war eine frühe Feministin. Hier dürfen wir den Anfängen ihrer Selbstfindung beiwohnen, einer Frau die noch bei ihrer Familie wohnt und doch schon sicher ist „Ich bin ausgesprochen originell, von Geburt an“. (Syme Sigmund)

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Ulla Lenze: Der Empfänger

Klett-Cotta 2020, 302 S., € 22,-, TB dtv 2022, € 12,-

(Stand Januar 2022)

Lenze_Ulla_Der_Empfänger_Dante_connection_DanteperleJosef Klein ist 22, als er 1925 mit einer Winterfahrkarte der dritten Klasse nach Amerika auswandert. Sein Bruder musste wegen eines Unfalls in Deutschland bleiben. Klein hat weder einen festen Plan, noch einen übertriebenen Ehrgeiz, er ist vielmehr froh, dem gewalttätigen Vater entronnen zu sein und ein paar Jahre später ist er mit einem unaufgeregten Job in einer Druckerei zufrieden, genießt das Leben und Treiben seines Harlemer Viertels, richtet sich eine eigene Funkstation ein und lässt die Welt der Amateurfunker zu sich in die kleine Wohnung kommen. Aber er kann dem Weltgeschehen nicht gänzlich ausweichen, das New York der 1930 ist ein politisch zutiefst zerrissenes Land. Josef Klein bekommt einen unscheinbaren Auftrag “unter Deutschen” und verfängt sich, zunächst ohne es zu ahnen, in die Spionagetätigkeit des Naziregimes.
Ulla Lenzes historischer Roman beleuchtet ein bislang wenig erschlossenes Kapitel der deutsch-amerikanischen Geschichte. Inspiriert wurde die Autorin durch die wahre Geschichte ihres Großonkels. Spannend zu lesen ist der Roman nicht zuletzt durch die antiheldische Komponente der Figur Kleins. Seine Beweggründe und Handlungen bleiben zuweilen rätselhaft und machen sie damit doch umso glaubwürdiger. Es kostet ihn unglaublich viel Kraft und Mut, seinen für ihn anfänglich harmlosen Fehler zu korrigieren und es wird nur zu deutlich, wie leicht man den Kurs unter manipulativem Druck verlieren kann. (Franziska Kramer)

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Olivia Wenzel: 1000 Serpentinen Angst

S. Fischer Verlag 2020, 352 S., € 21,-, TB 2022, € 13,-

(Stand September 2022)

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Die Icherzählerin ist Mitte dreißig und hat oft viel Angst. Als Schwarze in Deutschland hat sie Schlimmes erlebt. Ihre Mutter war zu DDR-Zeiten Punk und tut sich schwer mit dem Leben. Ihr Vater verließ die Familie sehr früh und ging zurück nach Angola. Ihr Zwillingsbruder hat sein Leben beendet. Die Großmutter, zu der sie als einzige Angehörige den Kontakt hält, steht weit rechts. Glück erlebt die namenlose Protagonistin in Städten wie Berlin und New York oder in Ländern wie Marokko und Vietnam, vor allem aber durch die Menschen, für die sie sich selbst entscheidet.
In einem der originellsten Debuts der letzten Zeit schreibt Olivia Wenzel über Herkunft, Diskriminierung, Privilegien, die Suche nach Stabilität, Identität und Beziehungen. Dafür hat sie ein außergewöhnliches Format gewählt. Der erste und der dritte Teil des Romans besteht aus Dialogen zwischen einer fragenden Stimme und der Protagonistin, während im mittleren Teil Assoziationen, Bilder und Erinnerungen fein miteinander verwebt werden. So entsteht ein vielstimmiger Raum, in dem die Autorin uns auf eine rasante und überraschende Serpentinenfahrt einlädt. (Giulia Silvestri)

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Monique Truong: Sweetest Fruits

Aus dem Englischen von Claudia Wenner, C.H. Beck Verlag 2020, 347 S., € 23,-

(Stand März 2021)

truongDer Journalist und Reiseschriftsteller Lafcadio Hearn wurde 1850 auf der griechischen Insel Lefkas geboren. Sein irischer Vater war dort als britischer Militärarzt stationiert, seine Mutter war Griechin. In Irland und England in Internaten aufgewachsen ging er als junger Mann nach Amerika und später – nach verschiedenen Reisen unter anderem in die Karibik – nach Japan, wo er sein Sehnsuchtsland fand, die Tochter eines Samurai ehelichte und 1904 verstarb. Hugo von Hofmannsthal trauerte bei der Nachricht seines Todes um die „unvergleichliche Stimme“, Stefan Zweig rühmte den „überschwebenden Glanz“ seiner Beschreibungen. Monique Truong zeichnet sein Leben durch die intensiven Stimmen dreier Frauen nach – seiner Mutter, seiner afroamerikanischen Ehefrau, von der er nach wenigen Jahren wieder geschieden wurde, sowie seiner japanischen Gattin, mit der er drei Kinder hatte. So entfaltet sich nach und nach ein vielschichtiges Bild dieses außergewöhnlich sensiblen und poetischen Mannes und seiner Suche nach Zugehörigkeit. Zur erweiternden Lektüre sei der gleichfalls bei C.H. Beck erschienene Band mit Reportagen „Vom Lasterleben am Kai“ empfohlen. (Syme Sigmund) Leseprobe

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