Marina Rumjanzewa: Auf der Datscha

Eine kleine Kulturgeschichte und ein Lesebuch. Dörlemann Verlag 2009, 288 S., € 22,-, Suhrkamp TB € 11,-
(Stand April 2021)

datschaReisen ist in diesen Zeiten schwierig, aber so eine Datscha vor der Stadt, ein Häuschen im Grünen, das wär‘ doch was… Das wissen sie auch in Moskau und Sankt Petersburg und zwar schon seit Beginn des 18. Jahrhunderts. Marina Rumjanzewa erzählt uns im ersten Teil dieses schön gestalteten Buches auf fesselnde und interessante Weise die Geschichte der Datscha von ihren Anfängen unter Peter dem Großen bis heute. Sie ist ein Stück russischer Kultur und als solche spielt sie auch in vielen Texten der russischen Literatur eine Rolle. In Erzählungen von Puschkin, Tschechow oder Tolstoi, von Michail Schischkin oder Tatjana Tolstaja tauchen wir im zweiten Teil des Bandes ein in die Welt der Datscha, in den ihr ganz eigenen Lebensstil fernab der strengen gesellschaftlichen Regeln der Stadt, in das kleine, standesübergreifende Glück abseits der großen Metropole, wo der Sommer zwischen Gartenfesten und Datscha-Romanzen endlos scheint. Der Datscha-Bilderbogen auf der Innenseite des Schutzumschlages ist bitte nicht zu übersehen, er rundet das Buch aufs Schönste ab. (Syme Sigmund)

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Jean Stafford: Die Berglöwin

Aus dem amerikanischen Englisch von Adelheid und Jürgen Dormagen, Dörlemann 2020, 352 S., € 25,-

(Stand März 2021)

Stafford-Berglöwin-US-6.inddRalph und Molly sind die jüngsten Kinder einer amerikanische Mittelstandsfamilie. Wild, frech und spröde, fühlen sie sich einander auf symbiotische Weise verbunden und ihren großen, eitlen Schwestern sowie ihrer zimperlichen Mutter nicht zugehörig. Als sie mehrere Jahre hintereinander den Sommer auf der Ranch eines Onkels verbringen dürfen, scheint dies für sie zunächst ein unerwartetes Glück. Doch der zwei Jahre ältere Ralph schließt sich mit Beginn der Pubertät dem bewunderten Onkel an und Molly, die sich verraten fühlt, driftet immer mehr in ihre eigene störrische Welt ab. Schleichend baut sich in diesem 1947 erschienen Meisterwerk eine zum Reißen gespannte psychologische Spannung auf. Ein großes Stück Weltliteratur der heute fast vergessenen Pulitzerpreisträgerin, das es wiederzuentdecken gilt. (Syme Sigmund) Leseprobe

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André de Richaud: Der Schmerz

Dörlemann 2019, aus dem Französischen von Sophie Nieder, 224 S., € 20,-

(Stand März 2021)

Frankreich, 1915. Thérèse lebt mit ihrem Sohn Georges in einem Dorf in der Provence. Ihr Mann ist im Krieg gefallen und die Einsamkeit sowie das stete unerfüllte sexuelle Begehren setzen ihr zu. Als der junge, hübsche, deutsche Kriegsgefangene Otto auftaucht, beginnt sie mit ihm eine Affäre. George, voller Eifersucht und Misstrauen, entfernt sich innerlich immer stärker von der einst so geliebten Mutter. Als sie schwanger wird und die Gerüchte im Dorf lauter werden, steuert Thérèse auf eine Katastrophe zu. Aufgrund der unzweideutigen Beschreibung weiblicher Sexualität löste der Text bei seinem Erscheinen 1931 einen Skandal aus. Poetisch, psychologisch feinfühlig und seiner Zeit weit voraus beschreibt de Richaud das Innenleben und die Zerrissenheit Thérèses und ihres Sohnes. Die junge Übersetzerin Sophie Nieder hat den Text mit hervorragendem Sprachgefühl erstmals ins Deutsche übertragen. Für Camus war es der Roman, der ihn nach eigener Aussage inspirierte, Schriftsteller zu werden. Eine herausragende Entdeckung. (Syme Sigmund) Leseprobe

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David Garnett: Dame zu Fuchs

Aus dem Englischen von Maria Hummitzsch, Dörlemann 2016, 180 S., € 17,-, TB btb 2017, € 9,-
(Stand April 2021)

Garnett-Fuchs-original-uc.inddDas junge Glück des Ehepaars Tebrick nimmt eine jähe Wendung, als Mrs. Tebrick sich auf einem Spaziergang unversehens in eine Fähe verwandelt. Ihr Mann ist erschüttert, doch erkennt er sogleich seine Gemahlin in dem Tier und nimmt sich ihrer voller Liebe an. Die Angestellten entlässt er unter einem Vorwand und kümmert sich allein um das Wohlergehen seiner Frau. Diese ist zunächst wirklich ein Mensch in Tiergestalt, sie möchte sich ankleiden, spielt mit ihm abends Karten und lauscht seinem Klavierspiel. Doch nach und nach gewinnt die neue Natur in ihr die Überhand, bis sie mit einem Fuchs im Wald eine neue Familie gründet. Wie Garnett diese schleichende Verwandlung zu beschreiben vermag ist zugleich tragisch anrührend und höchst unterhaltsam. Mr. Tebrick verzweifelt daran, dass seine Frau sich immer mehr von ihm entfernt, und findet doch stets einen Weg, sie auch weiterhin zu akzeptieren und zu lieben. Erzählt wird in diesem kurzen, 1922 erschienenen und nun in wunderschöner Gestaltung vom Dörlemann-Verlag wiederaufgelegten Roman nicht einfach eine skurrile Begebenheit, sondern eine Geschichte von Liebe und Abhängigkeit, von der Suche nach der eigenen Natur in einer zutiefst von gesellschaftlichen Zwängen dominierten Zeit. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Sabahattin Ali: Die Madonna im Pelzmantel

Aus dem Türkischen von Ute Birgi. Mit einem Nachwortz von Maike Albath,  Jubiläumsausgabe Dörlemann 2013, 272 S., € 19,-, Ullstein TB 12,-

(Stand März 2021)

Jubeledition-US-5.inddSabahattin Ali wurde 1907 geboren, aufgrund seines sozialkritischen Engagements immer wieder verhaftet und 1948 auf der Flucht ins Exil an der bulgarischen Grenze wahrscheinlich vom türkischen Geheimdienst erschossen.  Heute gilt er als Großmeister der türkischen Prosa. Von 1928 bis 1930 studierte er in Berlin und hier – in den wilden Zwanzigern- spielt auch dieser Roman, eine ergreifende, feinfühlige Liebesgeschichte zwischen einem jungen, schüchternen, verträumten Türken, der in Berlin weilt, um zu studieren, und einer selbstbewussten, sehr modernen jüdischen deutschen Künstlerin, ein leise melancholisches Melodram voller Poesie und sprachlicher Kraft, ein Juwel, das dank der Übersetung von Ute Birgi jetzt endlich auch auf deutsch zu entdecken ist. (Syme Sigmund)

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