Carlo Bernasconis vegetarische Menüs für Gäste. Jacoby & Stuart 2018, 160 S., € 20,-
(Stand März 2021)
Ein Kochbuch, das gleichermaßen für den Alltag, als auch für festliche Einladungen geeignet ist, mit Rezepten, die nicht schwer nachzukochen sind und keinen Großeinkauf erfordern, sondern mit einer überschaubaren Anzahl von Zutaten auskommen. Carlo Bernasconi betrieb ein vegetarisches italienisches Restaurant in Zürich, und italienisch ist eindeutig die Basis der Gerichte, wenn sie auch überraschend verwandelt daherkommen und zum Experimentieren anregen. Wie wäre es mal mit Ravioli gefüllt mit Mangold oder Linsensalat mit Auberginenrouladen? Und danach etwas Himbeer-Tiramisù mit Pistazien? Präsentiert werden die Gerichte in nach Jahreszeiten abgestimmten Menüs mit 3-6 Gängen, aus denen man sich problemlos persönliche Highlights herauspicken kann. Die wunderbaren Illustrationen von Larissa Bertonasco machen zudem schon das Durchblättern zu einem Genuss. Probieren will man danach eigentlich alles, und zwar am besten sofort. Mmmmh! (Syme Sigmund) Blick ins Buch

Der wohlhabende José Victoriano wird in Mexico City entführt und für seine Kinder und Enkel ist plötzlich nichts mehr wie zuvor. Als nach und nach Pakete mit verschiedenen Körperteilen des Großvaters eintreffen, verlassen sie in Panik und überstürzt das Land. In acht lose miteinander verknüpften Geschichten, scharfen und gleichzeitig sensiblen Momentaufnahmen, erzählt Antonio Ruiz-Camacho aus Sicht unterschiedlicher Familienmitglieder vom Leben in Madrid, Austin Texas oder Palo Alto, vom Gefühl des plötzlichen Verlusts jeglicher Sicherheit und sozialen Halts. Da ist der junge Vater, der es nicht schafft, seinem neugeborenen Sohn in die Augen zu sehen, da sind die jugendlichen Enkel, gestrandet in einem heruntergekommenen Appartement in New York, die ihr altes Leben vermissen oder die geheime Geliebte, die nicht weiß, warum der Vater ihres sechsjährigen Sohnes einfach nicht mehr bei ihr auftaucht und wie sie diesem das erklären soll. Aus den verschiedenen Puzzleteilen entsteht ein eindrucksvolles, authentisches und höchst spannungsvolles Bild des Zerfalls einer Familie und der verhängnisvollen Auswirkungen der immer mächtiger werdenden Drogenmafia in Mexiko, die ein ganzes Land zu zerstören droht. (Syme Sigmund)
Das Feld – das ist der alte, verwilderte Friedhof des kleinen Ortes Paulstadt, und von hier aus sprechen die Stimmen, die auf den Seiten dieses Buches zu Wort kommen. Ein alter Mann glaubt, sie hören zu können, er kommt fast täglich, sitzt bei den Gräbern, hört zu. Es sind die Erinnerungen der Toten an das, was in ihrem Leben wichtig war, an erfüllte Momente oder Enttäuschungen, an begangene Fehler, an nie enthüllte Geheimnisse, an Leidenschaften – und immer wieder an die Liebe. Mal ist es eine ganze Geschichte mal das Heraufbeschwören eines einzigen Augenblicks oder eines bestimmten Gefühls. Wie in einem Kaleidoskop treten immer andere Personen in den Vordergrund und doch bilden sie am Ende ein ganzes, das Bild der Bewohner einer kleinen Stadt, wo jeder mit jedem verbunden ist, ein Bild, geformt aus den Stimmen der Toten, das voller Leben ist. (Syme Sigmund)
Tina ist mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Bea zum ersten Mal allein in Urlaub, nachdem der Vater die Familie verlassen hat. Träge und heiß sind die Tage im Sommer auf Pantelleria, der Insel vulkanischen Ursprungs zwischen Sizilien und Afrika. Das Mädchen – zwischen Kindheit und Jugend schwebend, noch nach Quallen fischend und kurzhaarig auf Fremde wie ein Junge wirkend – beobachtet die Zufallsgemeinschaft, die sich um das kleine Lokal in der Bucht versammelt hat: der attraktive Wirt Andrè, der Korse Stefano mit seiner französischen Freundin Parì, der alkoholsüchtige Kanadier Charles. Doch die Fröhlichkeit der Erwachsenen täuscht, ihre jeweilige Vergangenheit lässt sich nicht abschütteln, die Spannungen wachsen parallel zur Nervosität wegen der Quallenplage, die ein erfrischendes Bad, und der Intensität des Mistrals, der ein Anlegen der Fähre verhindert. Allen entgeht, dass Tina sich immer mehr verliert zwischen der Sehnsucht nach dem Vater und dem Wunsch, als sie selbst wahrgenommen zu werden. Alessio Torino hat ein veritables Kammerspiel vorgelegt, voller Leerstellen und Andeutungen, ohne ein Wort zu viel, ist es dem Leser überlassen, die Hintergründe zu interpretieren. Eine empfehlenswerte Sommerlektüre voller Abgründe. (Syme Sigmund)
Hund Samson und Kater Roberto sind bettelarm und hungrig. Als Samson eine Pension am Meer erbt, machen sich die beiden Freunde auf, dort ihr Glück zu versuchen. Was sie erwartet ist eine Bruchbude, in der es spuken soll, doch voller Elan und Ideen machen sie sich ans Werk und können bald die ersten Gäste begrüßen.
Schützend und gleichzeitig bedrohlich überragt die Drachenwand – eine hohe Felsflanke – den kleinen Ort Mondsee in den österreichischen Alpen. Hierher kommt Veit – ein junger Mann Anfang zwanzig – nachdem er 1944 in Russland verwundet wurde. Und hier – in der Abgeschiedenheit, unter alten Nazis, die ihm übelnehmen, dass er nicht an der Front ist, in der Freundschaft mit dem „Brasilianer“, den seine Aufrichtigkeit immer wieder in Schwierigkeiten bringt, und vor allem in der Liebe zu Margot – wird ihm klar, dass er es schaffen muss zu überleben und dass der Krieg, in den er als Schüler hineingestolpert ist, nur Unheil bringt. Arno Geiger hat einen beeindruckenden Antikriegsroman geschrieben, in dem die Atmosphäre im Land kurz vor Kriegsende lebendig wird und in dem das Grauen – neben Veit kommen über Briefe auch Margots Mutter aus dem bombenzerstörten Darmstadt und der jüdische Zahntechniker Oskar Meyer zu Wort – aber auch die Hoffnung in all ihren Facetten greifbar sind. (Syme Sigmund)
Ein Träumer ist er, ein sensibler Sprachjonglierer und Poet, ein sanftmütiger Pflanzenliebhaber, der sieht und spürt, was anderen entgeht. Seine Cousine weiß das. Aber sonst? Am falschen Ort ist er geboren, zur falschen Zeit. Die Mutter erkennt zu spät, dass „aus Zoli was hätte werden können, aber der Lauf der Welt sieht nicht vor, dass aus so einem was wird“, denn Zoli ist Sohn eines „Halbzigeuners“ und einer saufenden Tagelöhnerin. Das kleine Dorf in Serbien sieht den Stotterer, das Weichei, prügelt die falschen Fragen und Antworten aus dem „Bastard“ heraus, der so beunruhigend anders ist. Beim Militär wird es nicht besser, der Krieg steht ins Haus und Mitleid gibt es nicht, nur Grausamkeit. Zoli verzweifelt, in stummem Widerstand zieht er sich ganz in sich zurück – und geht an der Welt, die ihn umgibt zugrunde. Denn „unter diesem Himmel erschlägt uns das Schicksal“. Erschlagen und verstört bleibt auch der Leser zurück, vom Sog und mitreißenden Rhythmus der poetischen Sprache Abonjis dennoch berückt und betört. (Syme Sigmund)
Der Journalist Niklas Maak und die Künstlerin Leanne Shapton laufen in zwei Tagen durch Manhattan. Ihre Route führt sie auf direktestem Weg von der Süd- zur Nordspitze der Insel, vom Financial District durch Chinatown und Little Italy, über den Centralpark und die Upper Westside bis dorthin, wo Manhattan noch Berge, Wälder und Schluchten hat, wo nur noch Spanisch zu hören ist und man sich in einer lateinamerikanischen Metropole zu sein wähnt. Maak protokolliert, was er sieht, sowohl unscheinbare, beiläufige Details als auch interessante oder kuriose Geschichten von Menschen, die ihnen begegnen und Orten, an denen sie vorbeikommen. Shaptons zunächst fast abstrakt wirkende Aquarelle, die mit dem Text verwoben scheinen und diesen ebenbürtig ergänzen, sind Impressionen ihres Weges, mal das Muster des Straßenpflasters oder eines Gitters, mal ein vergessener Pappkarton oder ein Straßenschild. Den Weg der beiden kann der Leser zudem auf einer beigefügten Karte verfolgen. Ein rundum gelungenes Buch, bei dem sich am Ende aus vielen Fragmenten ein rundes Ganzes ergibt, und dem der wunderschön gestaltete Einband mit Reliefprägung das i-Tüpfelchen verleiht. (Syme Sigmund)