Stewart O’Nan: Henry persönlich

Aus dem amerikanischen Englisch von Thomas Gunkel, Rowohlt 2019, 480 S., TB Juli 2021, € 14,-

(Stand Juli 2021)

O`Nan Henry persönlich_Danteperle_Dante_Connection Buchhandlung Berlin KreuzbergHenry und Emily (schon bekannt aus anderen Büchern des Autors) sind ein älteres pensioniertes Ehepaar aus Pittsburgh der amerikanischen Mittelklasse. Erzählt wird ein Jahr ihres Lebens aus der Sicht von Henry, die alltäglichen Verrichtungen, die Besuche der Kinder und Enkel, die Zeit im Sommerhaus am See. Das alles ist weder besonders außergewöhnlich noch besonders interessant. Was besonders ist, an diesem Buch, ist die Kunst des Autors, dieses Leben so packend zu beschreiben, dass keine Langeweile aufkommt, man folgt gespannt der Gleichförmigkeit ereignisloser Tage, möchte immer weiter lesen, bei Henry sein, mit ihm in seiner Werkstatt hantieren, mit ihm Einkaufen fahren, mit ihm vor dem Kamin einschlafen während die Enkel um ihn herum wuseln und die tiefe Verbundenheit, die ihn nach 48 Jahren Ehe mit Emily verbindet, spüren. Ein filigran feines Portrait eines alten Mannes, ein Buch, das entschleunigt und glücklich macht. (Syme Sigmund)

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Milena Michiko Flašar: Herr Katō spielt Familie

Verlag Klaus Wagenbach 2018, 176 S., € 20,-, TB btb 2019, € 10,-

(Stand September 2022)

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Harr Katō ist nun Rentner, aber so richtig kommt er mit seiner neuen Rolle nicht zurecht. Seine Frau fühlt sich gestört und scheucht ihn aus dem Haus, doch das ziellose Herumspazieren liegt ihm nicht und er versinkt in Selbstmitleid. Da trifft er auf die junge Mie, welche ihm von ihrer Agentur berichtet. Bei ihr kann man Schauspieler als „echte“ Verwandte buchen, die „Familie spielen“. Braucht es den reichen Onkel aus Amerika für eine Hochzeit, die trauernde Tochter für eine Beerdigung oder die Verlobte, um die Eltern zufrieden zu stellen? Alles kein Problem. Herr Katō lässt sich engagieren, schlüpft von nun an in die verschiedensten Rollen, wird Opa, Exmann oder Firmenchef, und beginnt auch sein Leben – und seine Frau – wieder mit anderen Augen zu sehen. Milena Flašar hat ein einfühlsames Buch über das Altern geschrieben und über die Schwierigkeit, mit der Leere des Rentnerlebens klar zu kommen – mal nachdenklich und melancholisch, mal mit leichter Ironie, doch immer voller Empathie und Wärme. Die passende Lektüre für sonnige Wiesen oder auch verregnete Sofanachmittage. (Syme Sigmund)

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Kent Haruf: Unsere Seelen bei Nacht

Aus dem Amerikanischen von Pociao, Diogenes 2017, 208 S., € 20,-, TB 2018, € 12,-
(Stand April 2021)

Haruf_unsere-seelen-bei-nacht-Danteperle_DanteConnectionIn einer US-amerikanischen Kleinstadt leben zwei verwitwete Nachbarn in den großen Häusern, die vor vielen Jahren einmal das Zuhause für ihre Familien waren – doch nun sind sie dort allein, oft genug einsam. Eines Tages geht die 70jährige Addie ausgesprochen mutig auf ihren Nachbarn Louis zu: Sie bittet ihn, die Nächte mit ihr zu verbringen, heißt, wenn die Einsamkeit am größten ist, die Lücke mit Gesprächen zu befüllen. Nur das. Louis akzeptiert und so liegen die beiden nun Nacht für Nacht beieinander und kommen einander zögerlich näher. Trotz der jahrzehntelangen nachbarschaftlichen Nähe wissen sie nur wenig voneinander und erzählen sich in aller Offenheit aus ihrem mit allen Höhen und Tiefen gelebten Leben mit Schicksalsschlägen, mit Fehlern, mit glücklichen Momenten auch. Dieses vorsichtige Kennenlernen beschreibt Kent Haruf  unaufgeregt und sparsam fast, dennoch warmherzig, aber ohne zu verkitschen. Er erzählt von einer Chance auf reifes, selbstbestimmtes Glück, das aber an verbohrten Konventionen zu scheitern droht. Denn der Kleingeist der sowohl nahen Nachbarn als auch der fernen Verwandten stört sich an der „schamlosen“ Zweisamkeit. (Jana Kühn)

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Silvia Bovenschen: Nur Mut

(Fischer Verlag 2013), 160 S., TB Fischer 2015, € 9,99

(Stand März 2021)

bovenschen-nur-mut_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergEine ungewöhnliche WG in einer großbürgerlichen Berliner Villa: vier alte Frauen, vier weibliche Biographien,  jede mit ihren eigenen  Marotten und ihren sehr speziellen Möglichkeiten, der Endlichkeit zu trotzen. Mit im Haus sind die polnische Haushälterin und die aufsässige 16jährige Enkelin der Besitzerin Charlotte samt liebes- und zahnwehkrankem Mitschüler. Ein Herrenbesuch, der Finanzberater Charlottes, wird erwartet und plötzlich laufen die Dinge völlig aus dem Ruder, verlieren die alten Frauen jede Contenance. Jetzt gibt es keinen Halt mehr und überhaupt kein Zurück!
Altsein und Sterben als Anarchie, von Silvia Bovenschen mit Verve, Witz  und großer Fabulierlust erzählt. (Stefanie Hetze)

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Joan Didion: Blaue Stunden

Aus dem Englischen von Antje Ravic Strubel. (Claassen 2012) Ullstein TB 2019, 208 S., € 12,-

(Stand März 2021)

didion-blaue-stunden_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergBlau ist das Licht an den langen Sommerabenden des Nordens. Wenn diese Zeit endet, spürt man, der Sommer ist bald vorbei. Joan Didions Adoptivtochter Quintana starb mit nur 39 Jahren, kurz nach dem Tod von Didions Mann. Sie ist nun allein, alt, selbst zerbrechlich und ohne Hoffnung. In diesem Buch schreibt sie an gegen den Tod, gegen die Verzweiflung, in klaren präzisen Worten frei von jeder Rührseligkeit, in Sätzen, die lange haften bleiben. Es ist kein Erinnerungsbuch, sondern ein radikales Buch über den Umgang mit der Leere, die unverhofft kommt und der sie begegnen will, ohne “zu jammern”. (Syme Sigmund)

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