Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein, Aufbau Verlag 2021, 118 S., € 18,-, TB 2022, € 12,-
(Stand September 2022)
Kopenhagen in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Tove Ditlevsen wächst in ärmlichen Verhältnissen im Arbeiterviertel Vesterbro auf. Der Vater, von Beruf Heizer und überzeugter Sozialist, wird früh arbeitslos, die Mutter ist gefühlskalt, dem Mädchen oft ein Rätsel. In der Schule und im Hof gilt das sensible, scheue Kind, das früh das Lesen entdeckt und heimlich Gedichte schreibt, als seltsam. Schonungslos, in einer konzentrierten nüchternen Prosa, beschreibt die Autorin ihre als nicht glücklich und bedrückend empfundene Kindheit in einem Umfeld, das für Mädchen Bildung nicht als notwendig ansah, und öffnet gleichzeitig den Blick, in eine Welt, die noch nicht lange vergangen ist und doch nicht mehr in dieser Form besteht. Toves Kindheit endet mit 14 Jahren. Das Gymnasium wird ihr von den Eltern verwehrt, sie muss ihre erste „Stelle“ antreten.
Ditlevsens autobiografisch inspiriertes, faszinierendes Werk ist unbedingt lesenswert. Sie gilt als Wegbereiterin von Autorinnen wie Annie Ernaux oder auch Deniz Ohde. Die beiden zur Trilogie gehörenden Bände „Jugend“ und „Abhängigkeit“ sind gleichfalls perlenwürdig. (Syme Sigmund) Leseprobe

2002, im Zuge der Terroranschläge von 9/11 wurde das
Der Roman beginnt ganz klassisch mit einem Neuanfang eines Ehepaares. Sie, eine US-amerikanische Künstlerin, hat ein renommiertes Stipendium in Berlin erhalten und konzentriert sich auf ihre Karriere. Er, ein nigerianischer Doktorand, will eigentlich für seine Dissertation forschen, lässt sich aber durch Berlin treiben und lernt dabei andere Afrikaner kennen. Als Geflüchtete und Migranten führen sie ein völlig anderes Leben als er, der privilegierte verheiratete Akademiker, dessen Frau gerade durchstartet. Während er sich von ihr entfernt, in das afropolitane Berlin eintaucht und das Buch die Konventionen eines klassischen Eheromans verlässt, konzentrieren sich die nächsten Abschnitte ganz auf diese Menschen und ihre individuellen Geschichten, wie die des aus Libyen geflüchteten Chirurgen Manu. Er arbeitet als Türsteher, geht mit seiner kleinen Tochter jeden Sonntag vom Flüchtlingsheim zum Checkpoint Charlie, in der Hoffnung, dort seine Frau und ihren Sohn zu treffen, eine Verabredung, die sie auf dem Mittelmeer trafen, während ihr Boot sank…
In un tripudio di colori vivaci e fantasie, alcune signore dalle varie acconciature ci osservano dalla copertina di questo libro. Sono partigiane, contadine, insegnanti, operaie. Portano nomi comuni: Teresa, Bianca, Angelina, Adele… La lista arriva a 21 nomi, si tratta delle donne che hanno fatto la costituzione italiana, le prime deputate a partecipare attivamente alle decisioni politiche di un paese devastato da tanti anni di dittatura e di guerra. Vengono ricordate come “Madri costituenti”, eppure sono in pochi a conoscere i loro nomi, le loro storie, il loro valore fondamentale. Forse perché le ventuno signore affiancavano cinquecentocinquantasei uomini, a loro volta eletti all’Assemblea costituente il 2 giugno 1946. Nelle pagine di questo libro dai disegni variopinti troviamo dati importanti, racconti da scoprire e tenere a mente, figure vivide e forti, pronte a guidare grandi e piccine attraverso un viaggio alla scoperta della consapevolezza di genere. (Giulia Silvestri)
Thorsten Nagelschmidt, Sänger der Band Muff Potter, hat nach einigen Romanen und Erzählbänden einen Episodenroman verfasst – und was für einen! Es ist Sittengemälde der Stadt, ein dichtes Berlin-Porträt, speziell ein Kreuzberg-Roadmovie rund um den Kotti und eine Art Hommage an die Menschen der Nacht. Ihre Arbeit bzw. das was sie tun, gestaltet unsere Gesellschaft, sorgt dafür, dass sie funktioniert, stellt sie aber auch auf die Probe. Da ist der blanke Taxi-Fahrer, der trotzdem eigentlich nur schnell zu seiner Liebsten möchte – ein romantischer Antrag steht an. Da ist die Rettungssanitäterin, die Ärztin werden will und deshalb auf der Abendschule das Abitur nachholt. Da ist die junge Polizistin auf ihren ersten Streifzügen rund um Kotti, Schlesi und Görli. Und auch ein Dealer, eine Flaschensammlerin, die Inhaberin eines Spätis und viele andere mehr. Wie Nagelschmidt sein Figurenensemble miteinander verknüpft, sich unwissentlich über den Weg laufen und begegen lässt, das ist ganz große Erzählkunst. Mitten im Kiez, spannend wie ein Krimi, in schlagfertigen Dialogen und mit vielen unerwarteten Wendungen rasen die Episoden durch die Nacht, die in Kreuzberg nach dem berühmten Gassenhauser ja sehr lang werden kann – mit diesem Buch in der Hand garantiert, denn sie werden es nicht weglegen können! (Jana Kühn)
Mit einer Sprache, die an die Straße erinnert, und einem Rhythmus, der Blueslieden nahekommt, erklärt Maya Angelou, wieso wir immer stolz bleiben sollen, wenn wir lieben, diskriminiert und unterdrückt werden und wenn wir fürs Leben kämpfen müssen. Phenomemal Woman heißt das Gedicht, das dieser zweisprachigen Sammlung den Namen gibt. In diesem einen Adjektiv „phänomenal“ liegt die ganze Kraft diese Verse. Und genau das ist Angelou als Dichterin. Phänomenal. Scharf wie ein Messer, sanft wie eine Umarmung und dies gleichzeitig. Zum ersten Mal in deutscher Übersetzung liegen mit dieser Ausgabe einige der schönsten Zeilen des 20. Jahrhunderts vor, die als Ansporn und Inspiration besonders in diesem Jahr dienen können. (Giulia Silvestri)
Unterdrückte, Vergessene, Menschen, die nicht „verteidigungswürdig“ sind. Sie sind die Protagonisten von Elsa Dorlins Essay. Die Autorin begleitet uns auf einer langen Reise durch die Jahrhunderte, die mit Sklaven und Eroberern in der Kolonialzeit beginnt, mit den Suffragetten und dem Warschauer Ghetto weitergeht und über die Black Panthers und queeren Patrouillen bis hin zu zeitgenössischen Bewegungen führt. Im Fokus steht das Mittel der oft spontan entstandenen gewaltsamen Selbstverteidigung als einziges Instrument in den Händen der am meisten gequälten Minderheiten. Ein wichtiger Essay, der zu vielen Überlegungen anregt: Wer ist Angreifer, wer Opfer? Wir alle sind in einen ewigen Kampf verwickelt, in dem wir abwechselnd das eine oder das andere, manchmal beides sein können. Eine starke Lektüre. (Giulia Silvestri)
Die Zwillinge Sara und Desiree wachsen im kleinen Städtchen Mallard nahe New Orleans auf. Ein besonderer Ort, denn hier leben nur Schwarze, die Weiß gelesen werden können. Je heller der Hautton, desto größer ist das Ansehen. Darüber hinaus gibt es nicht viel. Deshalb schleichen sich die Schwestern als junge Frauen heimlich des Nachts davon. Mit einer Tochter an der Hand kehrt Desiree viele Jahre später zurück – der Hautton ihrer Tochter ist tiefschwarz. Von Sara fehlt jedoch jede Spur. Man ahnt nur, dass sie als Weiße lebend alle Brücken zum alten Leben abgebrochen hat. Aus diesen Geschehnissen webt Brit Bennett ein Familienepos über drei Generationen, in dem sie gekonnt Zeitensprünge und Perspektivwechsel arrangiert. Unerwartete Wendungen und kluge Twists machen das Buch zu einem großartigen Schmöker, der aber dennoch aufrüttelnd von gesellschaftlichen und politischen Konflikten erzählt. (Jana Kühn)
Nach dem Rebel Girls-Erfolg erschien eine Reihe ähnlicher Bücher, die besondere Persönlichkeiten von überall und aus allen Zeiten kurz als Vorbilder präsentieren. Patricia Thoma hat einen eigenen Weg gewählt. Sie stellt jüngere Menschen von hier vor, die sich aktiv und kreativ gegen soziale Missstände wehren und tolle Projekte auf die Beine stellen: So eine Designerin, die Mode für Rollstuhlfahrerinnen und Blinde entwirft, Jugendliche, die sich konkret für Seenotrettung einsetzen oder ein junger Islamwissenschaftler, der mit einem eigenen Youtube-Kanal mit viel Humor Stereotype und Vorurteile aufbricht. Patricia Thomas ausdrucksstarke schwarz-weiß gezeichnete Bildergeschichten, in denen sie nur wenige gelblich-grüne Akzente setzt, porträtieren die Aktivist*innen in ihrem sozialen Umfeld und mit ihren eindrucksvollen mutigen Aktivitäten. Das ist ungemein anregend, mitreißend und zur Nachahmung empfohlen! (Stefanie Hetze)
Kurt Schwitters, hannoverischer Künstler, Sprachspieler, Dadaist, Erschaffer des MERZ-Baus und der