Thomas Hettche: Pfaueninsel

Kiepenheuer und Witsch 2014, 352 S., € 19,99, btb TB 11,-

(Stand März 2021)

hettche-pfaueninsel_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergDie Pfaueninsel war bei den preußischen Königen sehr beliebt. Schon Friedrich Wilhelm II nutzte sie als Liebesnest und sein Sohn widmete sich ihr intensiv, versammelte hier ein „Kuriositätenkabinett“ bestehend aus einer Manegerie fremdartiger Tiere (neben den Pfauen sprangen hier z.B. jahrelang auch Känguruhs über die Wiesen), fremdländischen Pflanzen – vor allem Palmen – und auch der damaligen Zeit fremd anmutenden Menschen. So lebten hier unter anderen ein Mann von den Sandwich-Inseln, ein „Riese“ von über zwei Metern Körpergröße – und Maria Dorothea Stackon, eine kleinwüchsige Frau, die 1812 mit sechs Jahren auf die Insel gebracht und diese ihr ganzes, achzig Jahre dauerndes Leben nur ein einziges Mal, für einen Tag verlassen wird. Hettche erzählt Maries Leben, das gezeichnet ist durch ihre „monströse“ Statur und manches Leid, aber auch von Liebe und Menschen, die hinter der „Zwergin“ die fragile, sensible Person zu sehen im Stande sind. Sie ist das „Schlossfräulein“ der Insel und ihr Leben wird begleitet und geprägt von den durch Friedrich Wilhelm III angeordneten Veränderungen. So erfährt der Leser anhand Maries Leben von der Arbeit Lennés, Fintelmanns und Schinkels, von den Tieren und Menschen der Insel und von der Entwicklung derselben vom königlichen Rückzugsort zur Touristenattraktion. Hettche erzählt mit so viel Einfühlungsvermögen und gleichzeitig so großem, detaillierten, geschichtstreuen Hintergrundwissen, dass man nach der fesselnden Lektüre nicht nur eine literarisch großartig geschriebene Lebensgeschichte sondern auch ein ausgesprochen interessantes Stück Kulturgeschichte aus der Hand legt. (Syme Sigmund)

Leseprobe

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Katja Petrowskaja: Vielleicht Esther

Suhrkamp 2014, 285 S., € 19,95, TB Ausgabe € 10,-

(Stand März 2021)

vielleicht_esther_danteperle_dante_connectionKatja Petrowskaja macht sich auf die Suche nach Ihren jüdischen Vorfahren, forscht in Österreich, Polen und der Ukraine nach Spuren von Rosa, Ozjel, Anna oder eben Esther und stößt dabei stets an die Grenzen dessen, was noch erfahrbar ist, wenn es die Menschen, die man hätte fragen können nicht mehr gibt, wenn nur “Erinnerungsfetzen, zweifelhafte Notizen und Dokumente in fernen Archiven” bleiben. Die 1970 in Kiew geborene und aufgewachsene Autorin fühlt sich “der Geschichte ausgeliefert”, folgt Hypothesen, fragt nach, verzweifelt an den Tücken der Internet-Suchmaschine und arroganten Telefonistinnen, stößt auf immer neue Versionen der gleichen Geschichte, verirrt sich in Archiven, gibt nicht auf, macht überraschende Entdeckungen und spinnt so nach und nach ein Gewebe aus Geschichten, in denen sich Gegenwart und Vergangenheit überlagern und vernetzen, in denen das Deutsch von Petrowskaja dank ihres gleichsam frischen Blicks auf diese Sprache neu und hoch literarisch-poetische Glücksmomente fern aller literarischen Konventionen zaubert und man am Ende des Buches auf viel mehr von dieser ganz besonderen Autorin hofft, die für ein Kapitel aus “Vielleicht Esther” verdientermaßen den Ingeborg-Bachmann-Preis 2013 gewonnen hat. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Jessica Mitford: Hunnen und Rebellen

Meine Familie und das 20. Jahrhundert. Übersetzt von Joachim Kalka, Berenberg 2013, 336 S., TB 2022, € 20,-

(Stand Oktober 2022)

Die Mitford-Schwestern sind durch die bissig-amüsanten Gesellschaftsromane Nancy Mitfords bekannt, in denen sie die übersteigerten Eigenarten ihrer Familienangehörigen verhackstückte. Ihre jüngere Schwester Jessica erzählt in ihren 2013 erstmals auf Deutsch erschienenen Memoiren unmittelbar und mit viel Witz aus dem Inneren ihrer höchst reaktionären Familie. Das hochadelige, ziemlich abgeschottete Landleben produzierte irrwitzige Extreme. So betrieben die Schwestern mit einer Nanny das Klauen bis zur Perfektion und lieferten sie sich in ihrem eigenen Wohnzimmer Schlachten für den Faschismus bzw. den Kommunismus. Aus den Jugendspielen wurde bittere politische Wirklichkeit, die Extreme des 20. Jahrhunderts spiegelten sich unmittelbar in dieser Familie. Klug und mit unüberbietbarem Sinn fürs Komische hat Jessica Mitford, die lange als investigative Journalistin arbeitete, ihre Erinnerungen verfasst. „Hunnen und Rebellen“ ist ein Glücksfall historischer autobiographischer Literatur. (Stefanie Hetze) Leseprobe

Das gedruckte Buch ist leider nicht mehr lieferbar!

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Maike Albath: Rom, Träume. Moravia, Pasolini, Gadda und die Zeit der Dolce Vita

Berenberg Verlag 2013, 304 S., € 25,-

(Stand März 2021)

albath-rom-traeume_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergRom durchlebte nach dem Ende des 2. Weltkriegs nicht nur einen Wiederaufbau, sondern in den 1950er und 1960er Jahren einen regelrechten urbanen Aufbruch. Die Stadt vergrößerte sich immens in ihrer Fläche und ihrer Einwohnerzahl. In dieser Stimmung des Neuanfangs wurde sie zum Magneten für Kulturschaffende aus Literatur, Film, Kunst und Philosophie, die die Atmosphäre der Stadt und die Ära der Dolce Vita prägten. Anhand biographischer Skizzen einiger der wichtigsten Protagonisten, wie Moravia, Pasolini und Gadda, beschreibt Maike Albath diese Phase der Umbrüche. Immer wieder kommen Zeitzeugen zu Wort. Was dabei entsteht ist viel mehr als eine gängige Stadtgeschichte oder Künstlerbiographie – eher ein Stück italienischer Kulturgeschichte, ein Füllhorn an Daten, Fakten, Episoden und Anekdoten, das durch den gekonnten Stil der Autorin ein wahrer Lesegenuss wird. (Jana Kühn) Leseprobe

Wie viele Regalmeter mag Maike Albath in ihren Recherchen zur Stadtgeschichte und den Biographien der einzelnen Autoren wohl durchmessen haben für dieses feinste Destillat in Buchform?

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Silvia Bovenschen: Nur Mut

(Fischer Verlag 2013), 160 S., TB Fischer 2015, € 9,99

(Stand März 2021)

bovenschen-nur-mut_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergEine ungewöhnliche WG in einer großbürgerlichen Berliner Villa: vier alte Frauen, vier weibliche Biographien,  jede mit ihren eigenen  Marotten und ihren sehr speziellen Möglichkeiten, der Endlichkeit zu trotzen. Mit im Haus sind die polnische Haushälterin und die aufsässige 16jährige Enkelin der Besitzerin Charlotte samt liebes- und zahnwehkrankem Mitschüler. Ein Herrenbesuch, der Finanzberater Charlottes, wird erwartet und plötzlich laufen die Dinge völlig aus dem Ruder, verlieren die alten Frauen jede Contenance. Jetzt gibt es keinen Halt mehr und überhaupt kein Zurück!
Altsein und Sterben als Anarchie, von Silvia Bovenschen mit Verve, Witz  und großer Fabulierlust erzählt. (Stefanie Hetze)

Leseprobe

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Jamaica Kincaid: Die Autobiografie meiner Mutter

Aus dem Englischen von Christel Dormagen, Unionsverlag 2013, 220 S., € 10,95

(Stand März 2021)

kincaid-die-autobiografie-meiner-mutter_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergXuela Claudette Richardson erzählt in hohem Alter ihr Leben, welches für sie gleichzeitig das Leben der Mutter ist, die bei ihrer Geburt starb, wie auch das Leben ihrer Kinder, gegen deren Leben sie selbst sich immer wieder entschieden hat. Das hochintelligente Mädchen wächst ohne Zuwendung auf der karibischen Insel Dominica auf, die geprägt ist von gesellschaftlichen, vor allem rassistischen Hierarchien. Liebe kennt und verspürt sie nur für sich selbst. In großer Distanz lebt sie zu den Menschen, die ihr begegnen. Und in ebensolcher sprachlichen Distanz und schonungslosen Klarheit reflektiert sie über die Lebensbedingungen in einer Welt, die vom Erbe der Kolonialzeit gezeichnet ist. Der Ton ist kühl wie sinnlich, verstörend und voller poetischer Eindringlichkeit, die immer wieder Lese- und Sinnpausen herausfordert.

Eine der bedeutendsten Stimmen der karibisch-amerikanischen Literatur, die es zu (wieder)entdecken gilt! (Stefanie Hetze)

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Leanne Shapton: Bahnen ziehen

Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz, Suhrkamp 2012, 325 S., € 18,-

(Stand März 2021)

shapton-bahnen-ziehen_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergLeanne Shapton hat als junges Mädchen mit dem Schwimmtraining begonnen, “ziemlich schnell” war sie, sagt sie, jedoch nicht schnell genug, um sich dann wie erhofft tatsächlich für Olympia zu qualifizieren. Damit endet ihre Schwimmkarriere. Das Bahnenziehen wird sie aber nie sein lassen können. Nach den harten Traingseinheiten und Entbehrungen ihrer Teenagerzeit entdeckt sie andere Seiten des Wassers, lernt Baden gehen und die architektonische Schönheit von Schwimmbädern kennen. All das erzählt sie ohne Chronologie und im Präsens, unterfüttert die Texte mit ihren Zeichnungen von Schwimmbädern, Fotografien von Badeanzügen, Objekten, die mit ins Wasser gehören. Was dieses ausgesprochen schön gestaltete Buch nicht alles ist: eine (Sportler)Biografie, ein Bildband, ein Fotobuch, ein Buch über Wasser, Körperbeherrschung und natürlich über das Schwimmen.(Jana Kühn)

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Lily Brett: Lola Bensky

Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Heinrich. Suhrkamp Verlag 2012, 302 S., € 19,95, Suhrkamp TB 2013, € 9,99

(Stand März 2021)

brett-lola-bensky_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergDas neue Alter Ego der Autorin ist Lola Bensky, eine dickliche junge Australierin, Tochter polnischer Auschwitzüberlebender, die per Zufall zur Musikjournalistin wird und die Rockgrößen der Sechziger interviewen darf. Um Mick Jagger, Janis Joplin, Jimi Hendrix und all die anderen zum Sprechen zu bringen, schafft sie einen intimen Raum, indem sie von sich, von den Ermordeten ihrer Familie, von ihren Gewichtsproblemen erzählt, was zu erstaunlichen Begegnungen mit den Stars führt.  Auf ihre unnachahmliche Art ist Lily Brett  ein berührender, zugleich äußerst unterhaltsamer Roman gelungen und nebenbei ein Dokument der Musikgeschichte. (Stefanie Hetze)

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Martha Gellhorn: Das Gesicht des Krieges

Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring, Dörlemann  2012, 567 S., € 25,-

(Stand März 2021)

GellhornGesicht-US-1.inddReportagen von den Kriegsschauplätzen des 20. Jahrhunderts – vom Spanischen Bürgerkrieg über den Zweiten Weltkrieg bis zu den Kriegen in Vietnam und Nicaragua. Immer in nächster Nähe des Geschehens richtet Gellhorn ihr Augenmerk vor allem auf die Unmenschlichkeit des Krieges und die Leiden der Zivilbevölkerung und hält ihre radikal subjektiven, doch auf besten Informationen fußenden Eindrücke in einer nüchternen, mit klugem Witz getränkten, gut lesbaren Sprache fest.

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Gabriele Goettle: Der Augenblick

Kunstmann 2012, 400 S., € 22,95

(Stand März 2021)

goettle-der-augenblick_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergLängst ist Gabriele Göttle mit ihren Reportagen aus dem deutschen Alltag eine Institution. In ihrem neuen, lang erwarteten Buch „Der Augenblick“ versammelt sie 26 bereits in der taz erschienene Porträts sehr engagierter Frauen. Das Spektrum reicht von der Altenpflegerin über die Beamtin bei der Arbeitsagentur bis zur Professorin, auch seltene Berufe wie eine Präparatorin und eine Mouleurin sind vertreten. Egal, wie unterschiedlich sie sind, erhalten sie viel Raum, um ihre dezidierte Sicht auf die Dinge und Verhältnisse zu äußern, die Gabriele Goettle dann meisterlich verdichtet. Mehr davon! (Stefanie Hetze)

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