Sigrid Nunez: Der Freund

Aus dem Amerikanischen von Annette Grube, Aufbau Verlag 2020, 235 S., € 20,-, TB 2021, € 12,-

(Stand August 2021)

Nunez Freund_Danteperle_Dante_Connection Buchhandlung Berlin KreuzbergDie Ich-Erzählerin dieses Romans verliert unvermittelt ihren engsten Freund und bekommt dessen achtzig Kilo schwere Dogge vermacht. Nun teilt die zurückgezogen lebende Autorin das kleine New Yorker Apartment und die Trauer mit diesem riesigen Tier. Während sich aus den zaghaften Annäherungsversuchen eine neue Freundschaft anbahnt, die beiden Trost spendet, versucht sie auch schreibend der Trauer etwas entgegenzusetzen. Auf ihre 30 jährige Freundschaft zurückblickend, reflektiert sie über komplexe menschlichen Erfahrungen wie Selbstmord, Trauer, die Beziehung Mensch-Tier und Autorschaft (auch angesichts der Absurditäten des heutigen Literaturbetriebs).Nicht zuletzt geht sie dabei der Frage nach, für wen ein Autor seine Bücher schreibt und welche Verantwortung er den wahren Personen gegenüber hat, die so oft die Quellen für Fiktion sind.
Überaus berührend und lesenswert ist, was die Autorin tagebuchartig und assoziativ an Ereignissen, Ideen, Zitaten und Gedanken zusammengetragen hat. Nichts davon ist ornamental. Bereichert durch eine starke New York Atmosphäre, gibt es hier viel zu entdec
ken. (Franziska Kramer) Leseprobe

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Tarjei Vesaas: Das Eis-Schloss

Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel, Nachwort von Doris Lessing, Guggolz Verlag 2019, 199 S., € 22,-, TB dtv 2021, € 12,-

(Stand Oktober 2021)

VesaasUnn ist neu in dem kleinen norwegischen Dorf, sie ist nach dem Tod ihrer Eltern zu ihrer Tante gezogen. Still ist sie, schließt sich den anderen Kindern nicht an, aber Siss fühlt sich stark zu ihr hingezogen. Als sich die Mädchen endlich allein treffen, ist sofort eine Seelenverwandtschaft da, die Sicherheit, dass diese Freundschaft für immer sein wird. Doch am nächsten Tag verschwindet Unn spurlos, verirrt sich in den Spalten eines gefrorenen Wasserfalls – des Eis-Schlosses – die Suche des ganzen Dorfes bleibt erfolglos. Siss erstarrt in Trauer, fühlt sich der gerade erst gewonnenen Freundin verpflichtet, zieht sich in sich zurück. Die anderen Kinder, die Dorfgemeinschaft und Siss Eltern akzeptieren sie, geben ihr Zeit, warten, wenden sich nicht ab. Veesas Prosa ist lyrisch, atmosphärisch und doch schlicht und glasklar. Selten wurden Einsamkeit und Trauer, der behutsame Umgang mit der Trauernden und die schrittweise Rückkehr ins Leben so intensiv, so innig und so feinfühlig beschrieben wie in diesem schmalen Roman von 1963, der nun von Hinrich Schmidt-Henkel hervorragend neu übersetzt wurde. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Esther Kinsky: Hain

Suhrkamp Verlag 2018, 287 S., € 24,-, Suhrkamp TB € 12,-

(Stand April 2021)

Kinsky_Esther_Hain_Buchhandlung_Dante_Connection_DanteperleEine Frau fährt wenige Monate nach dem Tod ihres Gefährten nach Italien in einen kleinen abgelegenen Ort in der Nähe Roms. Es ist Winter, kalt und leer. In langen Erkundungsgängen schaut sich die Erzählerin das genau an, was sie vorfindet: das Dorf, die Gassen, die wenigen Menschen, die Hügel, den Friedhof. Immer weiter vertieft sie sich in das sie umgebende Gelände.  Erinnerungen werden wach an zahlreiche Italienreisen mit dem auch verstorbenen Vater, einem leidenschaftlichen Kenner der etruskischen Kultur, Liebhaber italienischer Mosaiken und Landschaften. Viel seines detaillierten Wissens hatte er an seine Tochter weitergegeben.  Immer weiter dehnt die Autorin ihren Radius aus, unternimmt Ausflüge, streift einige Zeit durch die vom Wasser bestimmte, sich ständig verändernde Lagunenlandschaft des Podeltas und fächert so ein Italien fern der Klischees auf. Natürlich ist es ein Buch der Trauer angesichts des Verlusts, aber dank Esther Kinskys präzisem Blick und ihrer ungemein reichen Sprache eine außerordentliche Leseerfahrung und nicht zuletzt ein wunderbares Buch über ein Italien, wie es wirklich ist. Hain hat den Preis der Leipziger Buchmesse 2018 erhalten!!  (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Tomas Espedal: Wider die Kunst

Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel, (Matthes & Seitz Berlin 2015), 191 S., Suhrkamp TB, € 10,-

(Stand März 2021)

Ein Mann, allein in einem Haus, auf sich selbst zurückgeworfen. Seine Mutter ist gestorben und kurz darauf die Mutter seiner Tochter, jetzt lebt er mit der 15-jährigen allein, kann sie nicht trösten und sich nicht. Furchtbar weiß und bösartig schwarz sind die Farben in ihm und in der eiserstarrten Welt vor seinem Fenster. Er schreibt, arbeitet am Schreiben, verzagt, verzweifelt. Er schreibt – von seinen Großeltern, seinem Vater, seiner Mutter, seiner Herkunft, vom Muttersein und Vaterwerden – und über sich, sein Schreiben. Und langsam schreibt und lebt er sich ins Leben zurück. Ein Buch voller Poesie und voller Brüche, schroff und sanft zugleich. Ein berührendes Buch über das Leben und die Erinnerung, über Veränderungen und wie alles doch weiter geht – wie in einem anderen, neuen Leben – und wie der Trauer doch wieder das Gefühl von Glück folgen kann, wenn man heim kommt und spürt, dass man froh ist, zu Hause zu sein. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Simon van der Geest: Krasshüpfer

Aus dem Niederländischen von Mirjam Pressler, TB Beltz 2018, € 8,95, ab 11
(Stand März 2021)

van-der-geest-krasshuepfer_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergHidde braucht “seinen” Keller. Hier hält er seine Insekten (eine stattliche Anzahl verschiedener Krabbler, Kriecher und Hüpfer, darunter eine Gottesanbeterin mit Namen Jackie Can), die er liebt und in zahlreichen Terrarien umsorgt. Aber Hiddes großer Bruder will den Keller auch – zum Schlagzeugüben, und zwar in 10 Tagen! Zwischen den beiden entbrennt ein Kampf, der mit immer härteren Mitteln geführt wird (von Hiddes Seite aus natürlich unter Zuhilfenahme seiner bedrohten Freunde). Aber es geht nicht nur um den Keller, es geht auch um ein Geheimnis, das nur die beiden Brüder teilen, und dessen Gewicht immer schwerer auf ihnen lastet. Ein gelungener Roman für Menschen ab 11, der die Balance hält zwischen Spannung, schräger Situationskomik und Tiefgang. Und über Insekten erfährt man auch eine ganze Menge kribbelig-krabbliger interessanter Dinge. (Syme Sigmund) Leseprobe

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