Joanna Bator: Wolkenfern

Aus dem Polnischen von Esther Kinsky, (Suhrkamp 2013) 499 S., Suhrkamp TB 2014, € 11,99
(Stand April 2021)

„Wolkenfern“, das ist für Dominika – schon bekannt aus Bators Roman „Sandberg“ – alles, was außerhalb von Pjaskowa Gora, dem Viertel des trist-provinziellen polnischen Bergbaustädtchen liegt, in dem sie aufgewachsen ist. Ein Sehnsuchtsort, je weiter weg, desto besser. Und so kehrt sie nach der Genesung von einem Autounfall auch nicht mit Ihrer Mutter nach Hause zurück, sondern bricht auf, von der „BeErDe“ nach New York und London und darüber hinaus. Verwoben mit Dominicas Schicksal sind die Geschichten vieler anderer Figuren, ein farbenreiches, schwindelerregendes, gekonnt fabuliertes Kabinett skurriler Persönlichkeiten und Geschehnisse, die bis in die Zeit deutscher Besatzung hineinreichen. Da begegnen uns liebenswerte, gastfreundliche „Teetanten“, ein verstörend abstoßender Frisör, ein Fotograf, der in seine Fotografien den Tod kommen sieht oder auch die großherzige Grazynka, die vielen Männern aus Mitleid ihre Liebe schenkt. Und durch alles zieht sich die Geschichte des Nachttopfs von Napoleon. Bator macht süchtig. Bitte mehr davon!! (Syme Sigmund)

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John Williams: Stoner

Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben, dtv 2013, 352 S., € 18,-, tb dtv 2014, € 10,90

(Stand März 2021)

williams-stoner_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergWilliam Stoner, Sohn armer Farmer, entdeckt an der Universität seine Leidenschaft für Literatur und wird schließlich Professor. Sein Leben bleibt melancholisch geprägt von seiner Nicht-Zugehörigkeit zu den etablierten gebildeten Schichten und der “besseren” Gesellschaft. Er hat kaum Freunde, von seiner bäuerlichen Herkunft entfremdet er sich immer mehr, seine Frau entpuppt sich als eiskalt und neurotisch bis zur Bösartigkeit, seine über alles geliebte Tochter entgleitet ihm und der Streit mit einem Kollegen führt zu einem Bruch in seiner beruflichen Karriere. Eine Liebesaffäre bringt großes Glück, scheitert jedoch an der moralistischen Gesellschaft. Und doch findet Stoner am Ende seines Lebens zu innerer Ruhe, die ihn sein Leben akzeptieren lässt.
Sprachlich brillant erzählt und von Anfang bis Ende stimmig, war der 1965 publizierte Roman lange vergessen und wurde 2007 zu Recht als „ernsthafter, wunderschöner und berührender“ großer Klassiker der amerikanischen Literatur wiederentdeckt. (Syme Sigmund)

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Silvia Bovenschen: Nur Mut

(Fischer Verlag 2013), 160 S., TB Fischer 2015, € 9,99

(Stand März 2021)

bovenschen-nur-mut_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergEine ungewöhnliche WG in einer großbürgerlichen Berliner Villa: vier alte Frauen, vier weibliche Biographien,  jede mit ihren eigenen  Marotten und ihren sehr speziellen Möglichkeiten, der Endlichkeit zu trotzen. Mit im Haus sind die polnische Haushälterin und die aufsässige 16jährige Enkelin der Besitzerin Charlotte samt liebes- und zahnwehkrankem Mitschüler. Ein Herrenbesuch, der Finanzberater Charlottes, wird erwartet und plötzlich laufen die Dinge völlig aus dem Ruder, verlieren die alten Frauen jede Contenance. Jetzt gibt es keinen Halt mehr und überhaupt kein Zurück!
Altsein und Sterben als Anarchie, von Silvia Bovenschen mit Verve, Witz  und großer Fabulierlust erzählt. (Stefanie Hetze)

Leseprobe

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Donatella di Pietrantonio: Meine Mutter ist ein Fluss

Aus dem Italienischen von Maja Pflug, Kunstmann 2013, 200 S.
Die deutsche Ausgabe ist leider nicht mehr lieferbar.
(Mia madre è un fiume, Editore Elliot 2010, ca. € 19,50)
(Stand März 2021)

di-pietrantonio-meine-mutter-ist-ein-fluss_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergEine Mutter, die von ihrem Kind in all ihrer Liebe und Aufmerksamkeit schmerzhaft vermisst wurde, erkrankt an Demenz. Für die erwachsene Tochter birgt dies die Gefahr nun gänzlich zu verlieren, was ohnehin eine Leerstelle war. Also beginnt sie der kranken Mutter das eigene Leben zu erzählen, durchdringt dies mit Episoden aus der nun anstehenden Pflege der gealterten Frau. Sie erinnert sie an Familienzwistigkeiten, Feldarbeit und Feste, wird buchstäblich zu ihrem Gedächtnis. Donatella di Pietrantonio gelingt dabei nicht nur ein gänzlich unsentimentales, dennoch liebevolles Porträt der eigenen Mutter, sondern sie schildert auch ein hartes Leben in einem archaisch geprägten, bäuerlichen Italien in den Abruzzen. Die Autorin meistert eindringlich den Spagat zwischen der Sehnsucht nach einer zugewandten Mutter und dem Verständnis für deren schwierige Lebenssituationen. Ein sensibles und leises Buch, nicht nur, aber auch für Italieninteressierte! (Jana Kühn) Leseprobe

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Elizabeth Taylor: Versteckspiel

Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell, Dörlemann 2013, 384 S., € 24,-. Momentan nicht lieferbar, wird aber nachgedruckt!

(Stand  April 2021)

elizabeth-taylor-versteckspiel_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergPerlen haben es in sich … In der englischen Provinz Ende der Zwanzigerjahre verliebt sich die unsichere achtzehnjährige  Harriet in den gleichaltrigen selbstbezogenen Vesey, der von einer Karriere als Schriftsteller träumt und als drittklassiger Schauspieler endet. Unter Mühen realisiert Harriet, dass sie nicht auf Vesey zählen kann und heiratet einen älteren, langweiligen Mittelschichtsmann, mit dem ein vorhersehbarer Ehealltag beginnt. Viele Jahre und eine Tochter später taucht Vesey wieder in Harriets provinziellem Leben auf und rüttelt wie ein starker Erdstoß mehr als an der gesättigten Oberfläche.
Der Rang Elizabeth Taylors (1912-1975), vom Dörlemann Verlag für den deutschsprachigen Raum entdeckt, wird in der brillanten Übersetzung Bettina Albarells mehr als offensichtlich – ein Meisterwerk englischer Erzählkunst. (Stefanie Hetze)

Zur Zeit nicht lieferbar, Neuauflage geplant.

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Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend

(Knaus 2012), 288 S., TB Penguin, € 10,-

(Stand März 2021)

Aller Tage Abend von Jenny Erpenbeck

Fünf Lebensentwürfe für eine Person. Fünf mögliche Tode – und Leben – und die Einsicht, wie viel vom kleinen Zufall abhängt, von der Sekunde früher oder später, einem Schritt zu viel. Vom möglichen Tod als Säugling, über den Selbstmord aus Liebeskummer, das Umkommen im Gulag und den Sturz auf der Treppe im Rentenalter – Jenny Erpenbeck führt uns in kunstvoll wechselndem Schreibstil und -rhythmus mit ihrer 1902 als Kind einer jüdisch-galizischen Mutter und eines katholischen Vaters geborenen Protagonistin durch die Geschichte des 20. Jahrhunderts, immer wieder ansetzend mit “was wäre wenn (oder wenn nicht)”. Aus dem von Pogromen bedrohten jüdischen Ghetto Galiziens über das hungernde Wien von 1919/20 sowie das stalinistische Russland der Schauprozesse und Massenverhaftungen von 1938 bis ins Ostberlin vor und nach der Wende spannt sich der Bogen. Und gerne folgt man der Autorin und ihrer eleganten, bedacht gesetzten schönen Sprache auf dieser Reise und durch ihr gelungen umgesetztes Gedankenspiel. (Syme Sigmund)

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Alice Pung: Ungeschliffener Diamant

Aus dem Englischen von Marieke Heimburger, edition fünf 2012, 328 S., € 19,90

(Stand März 2021)

Band_11_Pung_UMSCHLAG_120426.inddAlice wird in der neuen Heimat ihrer kambodschanisch-chinesischen Flüchtlingsfamilie geboren: Australien. Genau dieses Land wurde von der Familie ausgewählt, weil es dort im Gegensatz zu Kanada nicht schneien soll – wie der Vater gehört hatte. Sie kommen nur mit der Ahnung, dass es vom Schnee einmal abgesehen, hier fast alles zu geben scheint. Vieles, das die traditionell verhaftete Familie kaum versteht, vieles, das sie sehr wünscht und ebenso vieles, das gerade der heranwachsenden Tochter nicht zugestanden wird. Mit viel feinem Humor, doch ohne zu beschönigen erzählt die junge Frau Alice vom Ankommen und sozialen Aufstieg ihrer Familie in kleinen Schritten. Eine neue, junge Stimme der australischen Literatur, die leichtfüßig vom schwierigen Aufwachsen in zwei Welten eines Landes, die verschiedener kaum sein könnten, berichtet. (Jana Kühn)

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Joan Didion: Blaue Stunden

Aus dem Englischen von Antje Ravic Strubel. (Claassen 2012) Ullstein TB 2019, 208 S., € 12,-

(Stand März 2021)

didion-blaue-stunden_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergBlau ist das Licht an den langen Sommerabenden des Nordens. Wenn diese Zeit endet, spürt man, der Sommer ist bald vorbei. Joan Didions Adoptivtochter Quintana starb mit nur 39 Jahren, kurz nach dem Tod von Didions Mann. Sie ist nun allein, alt, selbst zerbrechlich und ohne Hoffnung. In diesem Buch schreibt sie an gegen den Tod, gegen die Verzweiflung, in klaren präzisen Worten frei von jeder Rührseligkeit, in Sätzen, die lange haften bleiben. Es ist kein Erinnerungsbuch, sondern ein radikales Buch über den Umgang mit der Leere, die unverhofft kommt und der sie begegnen will, ohne “zu jammern”. (Syme Sigmund)

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Riika Pulkkinen: Wahr

Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat, Tb List 2013, nur noch als e-book bestellbar € 8,99

(Stand März 2021)

pulkkinen-wahr_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergElsa, die erfolgreiche Psychologin, und Martti, der bekannte Maler, sind seit Jahrzehnten glücklich verheiratet. Als Elsa erfährt, dass sie todkrank ist, pflegt die gesamte Familie sie gemeinsam. Doch die Enkelin Anna holt ein altes Kleid aus dem Schrank und bringt damit die Erinnerung an ein früheres Kindermädchen zurück, eine Frau, die Martti einmal geliebt hat und die verschwunden ist. In Annas Vorstellung wird sie nun wieder lebendig: Was ist passiert, damals, in den 60er-Jahren, als die Welt im Aufruhr und Aufbruch war und die Menschen trotzdem ihre ganz persönlichen Liebesgeschichten erlebt haben? Ein Buch über Liebe in ihren verschiedenen Formen, über Familie, über Festhalten und Loslassen, Schuld und Verzeihen. Riika Pulkkinen traut sich, dick aufzutragen und trifft dennoch den richtigen Ton. Dabei spielen die Bilder, die Natur und das Licht Skandinaviens keine unwesentliche Rolle … Genau die richtige Lektüre für einen lauen Sommerabend, schön und melancholisch zugleich. (Judith Krieg)

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Annette Pehnt: Chronik der Nähe

TB Piper 2013, 124 S., € 8,99

pehnt-chronik-der-naehe_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergAnnette Pehnt erzählt von der problematischen Beziehung, die Großmutter, Mutter und Tochter einer Familie zueinander entwickelt haben. Sie belauern und umarmen sich, fühlen sich erdrückt, drohen mit Liebesentzug und rächen sich an der nächsten Generation.
Am Sterbebett ihrer Mutter blickt die jüngste der drei Frauen auf das komplizierte Verhältnis zu dieser zurück, die ihr die Mühen ihres Mutterdaseins immer vorgehalten hat. Gleichzeitig erfährt der Leser in Rückblenden Ereignisse aus der Kindheit der Mutter, der vor allem die Abwesenheit und Kälte ihrer eigenen Mutter – also der Großmutter – im Gedächtnis geblieben ist. Die beiden älteren Frauen sind von Krieg und Nachkriegszeit gezeichnet, emotional verhärtet und nicht fähig, ihren Töchtern Wärme, Anerkennung und Zuwendung zu schenken. Dem Leser enthüllt sich ein berührendes psychologisches Kammerspiel, das die Auswirkungen der Erfahrungen in Kindheit und Jugend auf die nachfolgende Generation in einer klaren und doch poetischen Sprache durchleuchtet und bloßlegt. (Syme Sigmund)

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