Aus dem Französischen von Margret Millischer, Transit Verlag 2014, ab 16
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(Stand März 2021)
Dreißig Afrikaner, Frauen, Männer und Jugendliche, die aus dem Landesinneren Senegals stammen und noch nie das Meer gesehen haben, wollen nach Europa fliehen. Auf nur achzig Seiten erzählt Ndione ihre Geschichte, ihre Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste, aber auch die zu einem guten Teil von westlicher Wirtschaftspolitik verursachten Ursachen des Elends in dem westafrikanischen Land. Der Roman beschreibt schlicht und eindringlich das Schicksal von Millionen Menschen, die tagtäglich vor unseren Küsten um ihre Lebenschancen und ihr Überleben kämpfen, gibt ihnen Namen, Gesichter und individuelle Schicksale. Ein notwendiges Buch, das zum Verstandnis beiträgt und von jedem über 14 Jahren einschließlich des die wirtschaftspolitischen Hintergünde darlegenden Nachwortes gelesen weren sollte. (Syme Sigmund)

Karstadt am Hermannplatz, ein Bürgeramt, der Müggelsee, der Kudamm sind nur vier der vielen Schauplätze, an denen der gebürtige Berliner Björn Kuhligk seine Alltagsgeschichten ansiedelt. Allein oder mit seinen beiden Kindern läuft er durch die Stadt, trifft auf die unterschiedlichsten Leute beim U-Bahn-, Fahrrad-, Taxifahren. Ganz beiläufig entstehen bei der Lektüre dieser knappen Skizzen nachhaltige Eindrücke vom vielfältigen Berliner Alltag.
Leyla, Tänzerin, liebt Frauen, Altay, Arzt, liebt Männer. Sie haben geheiratet, um den Erwartungen ihrer Familien in Aserbaidschan genüge zu tun und leben nun in Berlin. Die chaotische Künstlerin Jonoun verliebt sich hier in Leyla, wird aber von Altay nicht gern gesehen. Als Leyla in ihrer alten Heimat verhaftet wird, machen sich ihre beiden ungleichen Partner gemeinsam auf in den Kaukasus. Eine ungewöhnliche Menage à troi, fesselnd erzählt, Roadmovie, Liebesroman und ein interessanter kritischer Blicke auf die heutige aserbaidschanische Gesellschaft in einem.
Beata Zatorska, schon lange ausgewandert, reist in der Weihnachts- und Winterzeit durch Polen und erinnert sich an ihre Kindheit im Riesengebirge. Ihre Großmutter Józefa war eine begnadete Köchin, die der Mangelwirtschaft trotzte und köstliche Kreationen schuf. Ihre Rezepte bilden die Grundlage für diese verlockende Hommage an die polnische Küche und ihre Traditionen.
Ein Radfahrer fährt bergauf, bergab, kurvt, überquert, durchfährt eine lange Straße und das immer wieder von vorn. Was er sieht, wem er begegnet, ist in diesem wunderbaren Bilderbuch zu entdecken. Kleine Kinder haben ihren Spaß, der Straße mit dem Finger zu folgen, Erwachsene erfreuen sich an den genialen Illustrationen. Der Clou: ein insgesamt 6 Meter langes Leporello zum Aufhängen im Kinderzimmer, im Büro …
Die 73jährige Designerin, Mitbegründerin des Punk, Aktivistin und Avantgardistin Vivienne Westwood ist die zeitgenössische Ikone der Mode- und Popkultur – schillernd, exzentrisch und äußerst erfolgreich wie vor ihr nur Coco Chanel. Ihre Autobiographie erzählt von ihrem überaus bewegten Leben, angereichert ist sie mit Fotos und Faksimiles, bietet damit neben dem großen Lesevergnügen Extragenuss.
“Die richtigen Worte in jeder bedenklichen Lage” lautet der Untertitel dieses Klassikers der Aufklärungsliteratur und im angelsächischem Raum bereits ein Muss in jeder Mädchenbibliothek. Statt auf das Davor oder das bis Dahin konzentrierte sich Miss Hyacinthe Phypps auf den Augenblick selbst und vor allem auf seine schlimmen Verursacher und durchbrach den bisher unabänderlich scheinenden Kreislauf der Hilflosigkeit vieler Töchtergenerationen. Ein bibliophiler politisch unkorrekter Spaß des Buchillustrators Edward Gorey.
Axolotl, Krake, Mensch, Muräne, Wasserbär … viele reale Lebewesen sind sonderbarer, als jede Fantasie sie sich ausmalen könnte. Nach dem Vorbild mittelalterlicher Kompendien erkundet dieses faszinierende Bestiarium die verblüffende Vielfalt der Schöpfung zwischen Erde, Himmel und Tiefsee und berührt dabei die großen Fragen der Menschheit nach dem Ursprung des Lebens und den Auswirkungen des technischen Fortschritts. Geistreich und inspirierend zu lesen und wunderschön gestaltet.
Vivian Maier, die Autodidaktin und Besessene der Fotografie, vor wenigen Jahren – leider erst nach ihrem Tod – entdeckt, hinterließ rund 150.000 größtenteils unentwickelte Fotografien: Schwarz-Weißbilder mit Straßenszenen New Yorks und Chicagos, wo sie als Kindermädchen arbeitete, Detailfotos von Schuhen, Händen, Aufnahmen von Kindern, jede Menge Selbstporträts, bei denen sie mit Spiegelungen arbeitet, aber auch Farbfotografien. Für alle, die sich an dem ersten Bildband nicht satt sehen konnten, ist nun diese erste repräsentative Monographie erschienen. Ein richtiger Schatz und Augenschmaus mit vielen biografischen Informationen über die bislang Unbekannte.
Triest 1943: im Hafen wird ein schwerverletzter Mann gefunden und an Bord eines deutschen Schiffes gebracht. Als er aus dem Koma erwacht, hat er sein Sprachvermögen und sein Gedächtnis verloren. Einzige Anhaltspunkte für seine Identität sind ein finnischer Name auf dem Etikett seiner Jacke und Initialien auf einem Taschentuch. An Bord befindet sich ein exilierter finnischer Neurologe, der es zu seiner Berufung macht, den vermeintlichen Landsmann Schritt für Schritt wieder zurückzuführen, zur Sprachbeherrschung und ins Leben. So lernt „Sampo Karjalainen“ unter Mühen, wieder zu sprechen, und die Strukturen der Sprache, genauer gesagt des Finnischen, werden zum Versuch, die Welt und sich selbst zu begreifen. In den Kriegswirren reist er nach Helsinki, um sich dort „wiederzufinden“, doch alles kommt anders als gedacht. Diego Marani geht von zunächst bekannt erscheinenden Elementen aus, doch er macht etwas Neues daraus: einen Roman, der weniger von seiner Handlung lebt, sondern anhand der komplexen finnischen Sprache darüber nachdenkt, wie wir unseren Weg in die Welt bahnen, wie wir im Gespräch zu denen werden, die wir sind, wie Wörter uns formen, welche Schwierigkeiten und Bereicherungen mit dem Wechsel von einem Sprachkosmos – und damit einer Kultur – in den anderen einhergehen und wo wir möglicherweise an unsere Grenzen stoßen. Ein ungewöhnlicher, lesenswerter Roman. (Judith Krieg)