Isabelle Lehn: Frühlingserwachen

S. Fischer Verlag  2019, 256 S., € 22,-

(Stand März 2021)

Lehn_Frühlingserwachen_Danteperle_DanteConnectionMit 37 verbringt man statistisch betrachtet die wohl glücklichste Zeit seines Lebens, heißt es in Isabelle Lehns zweitem Roman „Frühlingserwachen“. Ist das so?, fragt ihre Protagonistin zweifelnd und damit auch die Autorin selbst. Denn was Lehn hier vorlegt, ist ein literarisches Vexierspiel, indem sie um ihre vermeintlich eigene Identität kreist. Isabelle Lehn ist und lebt, worüber sie schreibt – oder eben auch nicht. Doch eigentlich geht es weniger darum wer sie ist, sondern um das was: Es geht darum Frau zu sein, Autorin, Freundin, Geliebte, vielleicht Mutter und es geht um Depressionen und Selbstzweifel, die wie die dunkle Rückseite der ganzen schönen Frühlingsgefühle aus dem Boden zu schießen scheinen. Das sind oft nicht unbedingt leichte Themen, doch werden sie derart klug, offen und selbstironisch erzählt, dass man die Autorin/Protagonistin gern durch Bars und Badezimmer, zu Lesungen und Therapiesitzungen und sogar in den Zoo begleitet. (Jana Kühn)

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Per Petterson: Nicht mit mir

Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger, Hanser 2014, 285 S, € 19,90, Fischer TB 10,99

(Stand März 2021)

Petterson_978-3-446-24604-1_MR.inddJim und Tommy waren Freunde, unzertrennlich wie nur Halbwüchsige es sein können. Jim, der Gymnasiast, wuchs wohlbehütet auf. Tommy hingegen, aus zerrütteten Verhältnissen stammend, vom Jugendamt dem gewalttätigen Vater entrissen und von seinen drei kleineren Geschwistern getrennt, arbeitete in der Sägemühle. Doch das Leben entfernt sie voneinander. Nun treffen sie sich nach über dreißig Jahren wieder. Tommy ist ein erfolgreicher, wohlhabender Geschäftsmann in unglücklicher Ehe, Jim ein Bibliothekar, seit einem Jahr wegen Depressionen krankgeschrieben. Beide sind an ihrem Leben gescheitert. Voller Lakonie, mit einer äußerst packenden, sparsamen Sprache beschreibt Petterson die Geschichte und die Jugendfreudschaft dieser beiden Männer, ihre existentielle Einsamkeit, ihre Wut, ihr ausweglos erscheinendes inneres Unglück, in einer Weise, die den Figuren doch voller Respekt begegnet und den Leser nachdenklich und betroffen zurück lässt. (Syme Sigmund)

Leseprobe

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Terézia Mora: Das Ungeheuer

Luchterhand Literaturverlag 2013, 688 S., € 22,99, TB Ausgabe, € 11,99

(Stand März 2021)

mora-ungeheuer_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergDarius Kopp, der Mora-Lesern schon bekannte, einfach gestrickte Gemüts- und Genussmensch, versinkt nach dem Selbstmord seiner Frau Flora in tiefer Trauer. Um nach einer geeigneten Grabstelle für die Asche seiner Frau zu suchen, macht er sich – zunächst von Floras ungarischer Herkunft und sodann vom Zufall geleitet – auf in Richtung Osteuropa, wo es ihn bis nach Georgien verschlägt. Diesem teils feinsinnig-melancholischen, teils komisch-absurden Roadmovie stellt Mora – parallel gedruckt – Aufzeichnungen Floras gegenüber, aus denen ihre schwere, von ihrem Mann nicht bemerkte Depression spricht. Damit erhält Kopps Reise eine weitere, tiefere Ebene, die uns in menschliche Abgründe schauen lässt. Moras sprachliche Kraft, ihr gekonntes Changieren zwischen verschiedenen Erzählperspektiven und ihr unverwechselbarer Ton machen das Buch zu einem großen, lange nachwirkenden Leseerlebnis. (Syme Sigmund)

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