Sophie Blackall: Lieber Besucher aus dem All

Aus dem Englischen von Anna Schaub, NordSüd Verlag 2020, 80 S., € 18,-, ab 4
(Stand März 2021)

Blackall_Coverentwurf.indd In wenigen Worten, dafür mit umso aufwendigeren Bildtafeln, erzählt Sophie Blackall von einem Kind, das einen Brief an einen Außerirdischen verfasst. Aber wie würde man jemandem die Erde beschreiben, der sie gar nicht kennt? Natur, Tiere, Städte und immer wieder Menschen, verschiedene Familien, Lebensformen und -orte. Staunend entdeckt man seitenweise liebevolle Details. Fünf Jahre hat sie daran gearbeitet – die Sorgfalt, alle mitzudenken, spürt man auf jeder Seite. Die weitgereiste Illustratorin sagt, sie hat versucht, ein Buch über uns alle und den Planeten, den wir uns teilen, zu machen. Und das ist ihr wirklich hervorragend gelungen! (Jana Kühn)

Leseprobe

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Patricia Thoma: Activists

Verlagshaus Jacoby & Stuart 2020, 104 S., € 22,-, für Jugendliche
(Stand März 2021)

Activists_001-104_mit-Scans_Font neu_neu.inddNach dem Rebel Girls-Erfolg erschien eine Reihe ähnlicher Bücher, die besondere Persönlichkeiten von überall und aus allen Zeiten kurz als Vorbilder präsentieren. Patricia Thoma hat einen eigenen Weg gewählt. Sie stellt jüngere Menschen von hier vor, die sich aktiv und kreativ gegen soziale Missstände wehren und tolle Projekte auf die Beine stellen: So eine Designerin, die Mode für Rollstuhlfahrerinnen und Blinde entwirft, Jugendliche, die sich konkret für Seenotrettung einsetzen oder ein junger Islamwissenschaftler, der mit einem eigenen Youtube-Kanal  mit viel Humor Stereotype und Vorurteile aufbricht. Patricia Thomas ausdrucksstarke schwarz-weiß gezeichnete Bildergeschichten, in denen sie nur wenige gelblich-grüne Akzente setzt, porträtieren die Aktivist*innen in ihrem sozialen Umfeld und mit ihren eindrucksvollen mutigen Aktivitäten. Das ist ungemein anregend, mitreißend und zur Nachahmung empfohlen! (Stefanie Hetze)

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Jessica J. Lee: Zwei Bäume machen einen Wald

Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck, Matthes & Seitz Berlin 2020,  215 S., € 28,-

(Stand März 2021)

Lee_Jessica_J._Zwei_Bäume_machen_einen_Wald_Danteperle_Dante_Connection_BuchhandlungSprachbarrieren gehören zum Alltag der nach Kanada eingewanderten Familie der Landschaftshistorikerin und Autorin Jessica J. Lee. China, Taiwan, Wales und der englischsprachige Teil Kanadas bildeten die Achsen der familiären Prägungen und Zerwürfnisse.
Als Lee Aufzeichungen ihres längst verstorbenen Großvaters, der im Alter allein nach Taiwan zurückgegangen war, erhält, begibt sie sich auf eine intensive Recherchereise, fährt wiederholt nach Taiwan, die kleine Vulkaninsel voller eingezwängter Schluchten, jäh aufragender hoher Berge, unvermittelter Steilküsten und mit einer gigantischen botanischen Vielfalt, auf der Schnittstelle zweier destruktiver tektonischer Platten gelegen. Erdbeben, Erdrutsche und Taifune gehören zur Tagesordnung, die nur schwer zu kartografierende Insel zog seit jeher kolonisatorisches Interesse an. Erwandernd erforscht Lee die geografischen und politischen Besonderheiten dieses extremen Eilands und legt am Beispiel ihrer eigenen Familie eindrücklich dar, wie sich Landschaft konkret auf das Leben von Menschen auswirken kann. Wieder einmal ein großer Wurf der von Judith Schalansky herausgegebenen Naturkunden! (Stefanie Hetze) Leseprobe und Susanne Hornfeck über Zwei Bäume machen einen Wald

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Maria Attanasio: Der kunstfertige Fälscher

Aus dem sizilianischen Italienisch von Michaela Wunderle und Judith Krieg, Edition Converso 2020, 219 S., € 18,-
(Il falsario di Caltagirone, 224 pp., Sellerio 2007, ca. 18,50 €)
(Stand März 2021)

Attanasio_Kunstfertige_FälscherWer war Paolo Ciulla? Fast 100 Jahre nach seinem Tod sagt sein Name den meisten auch in Italien nichts. In diesem feinen historischen Roman wird seine einzigartige Geschichte erzählt. Durch eine minuziöse Recherche in Archiven, Gerichtsunterlagen und Mitteilungen wird sein kühnes, abenteuerliches Leben wiedererschaffen als Künstler, Geldfälscher und Pechvogel. Er war homosexuell und stand anarchischen und sozialistischen Gruppierungen nahe, lebte im Paris von Modigliani und Picasso, ging  nach Buenos Aires und kehrte nach Sizilien zurück, wo seine illegale Produktion falscher Geldscheine entdeckt wurde. Arm und allein starb er nach einigen Jahren Gefängnis.
In kurzen, prägnanten Kapiteln, die an eine Chronik erinnern, schildert Maria Attanasio eine Figur, die die Mächtigkeit einer Legende hat. Mit einem Glossar und ausführlichen Erläuterungen, die die Leser*innen mit zahlreichen Persönlichkeiten, Ereignissen und Sprachbesonderheiten vertraut machen. Ein toller biografischer Roman, der völlig aus dem Rahmen fällt. (Giulia Silvestri)

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Benjamin Moser: Sontag – Die Biografie

 Aus dem Amerikanischen von Hainer Kober, Penguin Verlag 2020, 924 S. mit 32-seitigem Bildteil, € 40,-, TB 2022, € 22,-

(Stand November 2022)

Moser_Benjamin_Sontag_Die_Biografie_Danteperle_Dante_ConnectionAls brillante Autorin wegweisender Essays wie „Camp“, „Die Krankheit als Metapher“ oder „Über Fotografie“, als kritische Intellektuelle, als New Yorker Jüdin, als streitbare Geliebte weniger Männer und vieler Frauen, als glamouröse vielfotografierte Erscheinung, als  mit den Geistes- und Künstlergrößen der halben Welt befreundete Kosmopolitin, in ihren Themensetzungen und künstlerischen Formaten immer wieder für eine Überraschung gut, ragt Susan Sontag als weibliche Ikone des 20. Jahrhunderts weit heraus.
Die Intensität, mit der sie gelebt und gearbeitet hat, wirft viele Fragen auf. Wie kann ein einziger Mensch diese vielen Facetten ausleben? Wer war diese Frau, wie wirkte sie als öffentliche Person, was verbarg sich hinter ihrer äußeren Fassade? Der Historiker und Biograf Benjamin Moser hat in seiner mit dem Pulitzer Preis 2020 ausgezeichneten Biografie schier Unmögliches geleistet, hat eine Fülle an Material und Details aus Archiven, Gesprächen und allen erdenklichen Informationsquellen mit scheinbarer Leichtigkeit ausgewertet und ist dabei dem Menschen und dem Phänomen Susan Sontag ganz nahegekommen, ihren Schattenseiten, ihrer intellektuellen Genialität wie ihrer überragenden öffentlichen Rolle. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Sebastian Barry: Tage ohne Ende

Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser, Steidl 2018, 272 S., € 12,80

(Stand März 2021)

Barry_Tage_Ohne_Ende_Danteperle_DanteConnectionWarum dieses Buch bei Erscheinen keine Danteperle wurde, kann ich heute beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen, zog es doch direkt beim Lesen schon in die Liste MEINER Bücher ein. Selten las ich ein Buch, das so zärtlich wie brutal, historisch wie brandaktuell so komplex wie fesselnd und zutiefst menschlich ist. Thomas McNulty – Waise irischer Einwanderer und ein halbes Kind noch – lebt auf den Straßen Missouris, wo er den gleichaltrigen John Cole kennen lernt. Fortan schlagen sie sich gemeinsam durch die harten Tage, arbeiten als Tänzer in einem Saloon, heuern schließlich als Unionssoldaten an. Sie werden beste Freunde und später auch Geliebte. Oft ist es nur noch diese Liebe, die sie die entmenschlichten Gemetzel des US-amerikanischen Bürgerkrieges, vor allem aber gegen die indigene Bevölkerung aushalten lässt. Als schließlich die Lakota-Waise Winona zu ihnen stößt, knüpft sich ein neues Band – eine Familie entsteht. Doch auch diese schwebt in diesen wirren, erbarmungslosen Zeiten in allerhöchster Gefahr. „Wir waten knietief in der Geschichte“, so Barry in einem Interview auf Deutschlandfunk, aber nur so lässt sich die Gegenwart, auch die der USA im Wahljahr 2020 verstehen. In diesem Herbst erschien ein Folgeband, der ebenso großartig erzählt, die Perspektive Winonas einnimmt: Tausend Monde (Steidl 2020, 256 S., 24,- €). (Jana Kühn)

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Kim Fupz Aakeson & Rasmus Bregnhøi: Hugo und Hassan

Aus dem Dänischen von Franziska Gehm, Klett Kinderbuch 2020, 104 S., € 15,-, ab 8
(Stand März 2021)

Mogens&Mahadi_U1U4.inddHugo und Hassan sind nach kurzer, rasanter Anlaufschwierigkeit bald schon beste Freunde und verbringen richtig viel Zeit zusammen. Da wird gezockt und gedribbelt, gekloppt und wieder vertragen. Es geht auf jeden Fall hoch her und es ist sehr, sehr lustig. Tatsächlich kommt die Graphic Novel mit so viel rabenschwarzer Komik daher, wie es sich aktuell wahrscheinlich fast nur der Klett Kinderbuch Verlag zu veröffentlichen traut. Absolut ungeschönt und sehr dicht an den Erlebniswelten der Altersgruppe erzählen die in Dänemark bestens bekannten Kim Fupz Aakeson & Rasmus Bregnhøi von den zwei Freunden. Es ist Ramadan und Halloween – und dann hat Hugos Mama auch noch einen neuen Freund. Der toughen Alleinerziehenden drückt man lachend alle Daumen und hofft auf mehr Geschichten von den beiden Haudegen – vielleicht auch auf mehr von Hassans Familie, die bisher deutlich kürzer kommt. Man darf gespannt sein! Denn als Reihe angelegt eignen sich Hugo & Hassan Dank viel, viel Humor, des eben großen Bildanteils sowie der wohl dosierten Kapitellängen bestens, um positiv besetzte Leseerlebnisse zu schaffen. (Jana Kühn) Leseprobe

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Johny Pitts: Afropäisch – Eine Reise durch das schwarze Europa

Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm, Suhrkamp 2020, 461 S., € 26,-, TB 2021, € 14,-

(Stand Oktober 2021)

AfropDer junge Autor und Fotograf Johny Pitts hat sich auf eine Reise durch Europa begeben, um nach den „afropäischen“ Schwarzen des Kontinents zu suchen, jenen, die – wie er selbst – ihre Wurzeln und ihre kulturelle Prägung hier sehen und sich gleichzeitig ihrer afrikanischen Wurzeln sehr bewusst sind, ein schwarzer Backpacker auf der Suche nach dem Europa, das er als sein eigenes erkennen kann. Pitts trifft in Paris Intellektuelle, Künstler und Autoren, besucht in Brüssel ein Zentrum der Afrosurinamischen Community, die junge schwarze Akademiker unterstützt, versucht mit den Bewohnern der verarmten Vorstädte in Frankreich, Amsterdam oder Lissabon ins Gespräch zu kommen und gerät in Berlin mitten hinein in eine Antifa-Demo. Er reflektiert über Rassismus in Schweden, untersucht in Moskau die Wandlung von einer einst toleranten in eine fanatisch fremdenfeindliche Gesellschaft, sucht an der Côte d’Azur nach den Spuren von James Baldwin und Frantz Fanon und findet im multiethnischen Marseille sein „afropäisches Mekka“.
Intelligent und scharfsinnig, mit viel Hintergrundwissen, spinnt er das Narrativ der unterschiedlichsten Menschen und Orte des schwarzen Europas, zeigt die Afropäer als „hybride Vertreter komplizierter kultureller Allianzen“, afropäisch als integrierte Form des Schwarzseins jenseits von Stereotypen, ohne die eigene Pluralität und Hautfarbe zu verleugnen. Gleichzeitig wird offensichtlich, wie stark Europa noch immer von seiner kolonialen Vergangenheit gezeichnet ist und wie sehr Rassismus und Armut, Ausbeutung und Marginalisierung den Alltag vieler schwarzer Europäer prägen. Das unter anderem von Pitts ins Leben gerufene multimediale Online-Journal afropean.com wird zur Vertiefung wärmstens empfohlen. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Margaret Goldsmith: Patience geht vorüber

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Eckhard Gruber. AvivA Verlag 2020, 224 S., € 19,-

(Stand März 2021)

Goldsmith_Margaret_Patience_geht_vorüber_Danteperle_Dante_Connection Im Frühjahr 1918 feiern zwei innig-unzertrennliche Freundinnen ihr Abitur in einer Konditorei in der Berliner Uhlandstraße. Beide verabscheuen den Krieg, Grete als Sozialistin und Patience steht dank ihrer englischen Mutter und ihres deutschen gefallenen Vaters sowieso zwischen allen Stühlen.
Wie der Titel es andeutet, konzentriert sich die Autorin auf Patience, die in Grete verliebt ist und zwischen Verlangen und Scham hin und her gerissen ist. Ihre distanzierte Mutter ist ihr dabei keine Hilfe. Der scheinbare Ausweg aus ihrem Gefühlschaos ist eine Heirat aus „Mitleid” mit einem Fliegersoldaten. Anschließend fährt sie aber mit Grete an die Ostsee und lässt sich auch bald von ihrem Mann scheiden.
Margaret Goldsmith hat in ihrem außergewöhnlichen bereits 1931 erschienenen Roman eine ganz und gar moderne Protagonistin entworfen. Patience geht ihren sehr eigenen selbstbestimmten Weg. Wie heutige Großstadtnomadinnen sucht sie ihr Glück in anderen Ländern, wechselt ihren Beruf, findet einen unkonventionellen Zugang zur Mutterschaft und hat mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen. Ganz lakonisch und direkt bleibt Goldsmith ihr auf der Spur und erfüllt absolut ihren eigenen Anspruch, das „wirkliche Leben” zu beschreiben. Das ausführliche Nachwort und die schöne Covergestaltung runden das Leseerlebnis aufs Allerfeinste ab! (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Jella Lepman: Die Kinderbuchbrücke

Hrsg. Christiane Raabe von der Internationalen Jugendbibliothek München unter Mitarbeit von Anna Becchi, Kunstmann 2020, 280 S., € 25,-

(Stand März 2021)

Lepman_Jella_Die_Kinderbuchbrücke_Danteperle1945 kehrte die jüdische Journalistin als Angehörige der amerikanischen Armee zurück in das Land, aus dem sie brutal vertrieben worden war. Ihr Auftrag war die „Um-Erziehung“ von Frauen und Kindern. Die Entscheidung, diese Aufgabe im Land der Täter anzunehmen, fiel ihr schwer, aber sobald sie an den Neubeginn mit den Kindern dachte, gab es kein Zurück. Sofort entwickelte sie die Idee einer Internationalen Kinderbuchausstellung, sammelte in den USA Gelder und überzeugte weltweit Kinderbuchverlage, ihre Bücher zu spenden. Es war ein grandioser Erfolg, auf dem sich die energische Mrs. Lepman nicht ausruhte. Stattdessen nahm sie die Wanderausstellung, die die deutschen Kinder und Erwachsenen erstmals mit der Fülle und Vielfalt der Kinderweltliteratur vertraut machte, als ersten Baustein einer internationalen Kinderbibliothek in München, die bis heute enorme Strahlkraft hat.
Wie Jella Lepman im Nachkriegsdeutschland Widerstände und Hindernisse überwand, ist faszinierend zu lesen. Angereichert ist diese prächtige Ausgabe mit aufschlussreichen Hintergrundinformationen und vielen eindrucksvollen Fotografien, u.a. von glücklich in Büchern versunkenen Kindern. Diese Autobiografie einer starken Frau mit einer klaren Vision ist ein Schatz – nicht nur für alle an Kinderliteratur Interessierte. (Stefanie Hetze)

Leseprobe

Die Buchpräsentation am 1.10.20 in München

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