Davide Longo: Der Fall Bramard

Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner, Rowohlt 2015, 320 S., Rowohlt TB € 10,99
(Il caso Bramard, Einaudi 2021, ca. € 18,50)
(Stand April 2021)

U1_978-3-498-03938-7.inddEinst war Corso Bramard der jüngste Kommissar Italiens, erfolgreich und talentiert. Doch dann wurde seine Frau von dem von ihm verfolgten Serienkiller ermordet und seine Tochter verschwand spurlos. Seither lebt er zurückgezogen in einem Bergdorf des Piemont, arbeitet als Lehrer und besteigt nachts die Berge. Doch der Mörder von damals schreibt ihm nun, dreißig Jahre später, Briefe mit Liedzeilen Leonard Cohens. Als einer der Briefe auch noch ein Haar des allerersten Opfers enthält, ist Bramard gezwungen, sich erneut auf die Spuren des Killers zu begeben – und sich den Dämonen in seinem eigenen Inneren zu stellen. Hochspannend und intelligent geschrieben zieht der Roman den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in seinen Bann. (Syme Sigmund)

Leseprobe

Das bestelle ich!

 

Wu Ming: 54

Aus dem Italienischen von Klaus-Peter Arnold, Assoziation A 2015, 526 S.
Zur Zeit nicht lieferbar, Taschenbuch in Vorbereitung, erscheint laut Verlag am 1.8.2021, € 19,80
(54, Einaudi 2014, ca. € 21,-)
(Stand März 2021)

_Titel_End.inddWu Ming ist ein italienisches Autorenkollektiv und steht für »ohne Namen« oder auch »fünf Namen« – je nachdem, wie man die erste Silbe ausspricht – zugleich eine Hommage an chinesische Dissidenten, die diesen Namen häufig benutzen. Die wohl fünf Autoren widmen sich mit Vorliebe der Geschichte, was nicht heißt, dass sie genauestens die Frage »Wie war etwas?« verfolgen. »Was wäre gewesen, wenn …?« trifft es schon viel eher – so auch im Jahr 1954. Der Kalte Krieg bestimmt das politische Weltklima. Osten wie Westen schicken ihre Geheimdienste ins Rennen – die Gunst Titos bzw. Jugoslawiens sollen ideologisch gewonnen werden. Für den MI6 ist  kein anderer als Cary Grant der Mann der Stunde, doch der KGB hat davon längst Wind bekommen. Die Jagd beginnt und der Leser rast mit in diesem herrlich temporeichen und absurden Lesevergnügen  zwischen Hollywood und Moskau, zwischen Bologna, Triest und Neapel.  Wu Ming sind in Italien zurecht längst Kult und nun endlich auch in deutscher Übersetzung! (Jana Kühn)

Das bestelle ich vor!

Molly Antopol: Die Unamerikanischen

Erzählungen. Aus dem Amerikanischen von Patricia Klobusiczky. Hanser 2015, 320 S., € 19,90

(Stand März 2021)

Antopol_24771_MR1.inddSie leben in New York oder in Los Angeles, in Tel Aviv, Jerusalem oder Osteuropa. Man sieht es ihnen nicht an, doch die “unamerikanischen”  Figuren dieser während des zweiten Weltkriegs, in den fünfziger Jahren oder auch in heutiger Zeit spielenden Erzählungen sind beherrscht von ihrer Vergangenheit. Sie können ihre jüdischen Wurzeln nicht abschütteln, die in Weißrussland oder der Ukraine liegen.  Es sind Menschen, die nirgends wirklich heimisch sind und deren Leben mehr vom Schicksal als selbstbestimmt wirken. Dabei herrscht eine melancholische Grundstimmung vor, die Antopol versteht nicht ins Kitschige abgleiten zu lassen. Das – im ursprünglichen Wortsinn – anrührende Debut einer jungen Autorin, welche die Kunst beherrscht, mit wenigen Worten viel zu erzählen. Hoffentlich bald mehr davon. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Edmondo De Amicis: Auf dem Meer

Aus dem Italienischen von Annette Kopetzki. Mit einem Nachwort von Erri de Luca. Corso / Verlagshaus Römerweg 2015
Die deutsche Ausgabe ist leider nicht mehr lieferbar.
(Sull’oceano, Garzanti 2009, ca. € 16,50)
(Stand März 2021)

25_de_amicis_aufdemmeer1884 unternimmt  Edmondo de Amicis eine Schiffspassage von Genua nach Uruguay. Während der erfolgreiche Schriftsteller mit wenigen anderen wohlhabenden Mitreisenden angenehm in der 1. Klasse reist, ist die Galileo vollgestopft mit Auswanderern, die fast ihr letztes Hemd gegeben haben für die Aussicht auf ein Leben in Südamerika ohne Hunger und Elend. Dazwischen gibt es noch wenige Bürgerliche in der 2. Klasse. Diese Aufteilung  entspricht den sozialen Verhältnissen. De Amicis nutzt die lange Seereise, die Menschen aus diesen unterschiedlichen Gruppen genau zu beobachten und sie mit ihren Besonderheiten und Eigenarten anschaulich zu porträtieren. Da entsteht ein vielstimmiger menschlicher Kosmos, ein mikroskopisches Abbild der italienischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Seine schöne lebendige Sprache, die Annette Kopetzki trefflich ins Deutsche übertragen hat, läßt einen wirklich mitreisen. Und beim Lesen schwingt, wie Erri de Luca betont, immer mit, dass die 3.Klasse-Emigranten von damals luxuriös reisten im Vergleich mit den Flüchtlingen von heute. (Stefanie Hetze)

Lo voglio ordinare!

 

John Williams: Butcher’s Crossing

Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben, dtv 2015, 368 S., dtv TB € 10,90

(Stand März 2021)

williams-buchers-crossing-dante-connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergKansas, um 1870. Der junge Will Andrews trifft in Butcher´s Crossing ein, einer kleinen Stadt, nicht mehr als eine Ansammlung von Bretterbuden und Zelten. Von der Ostküste stammend hat er das Studium in Harward abgebrochen, auf der Such nach sich selbst in der reinen Natur. Der Ort lebt von der Büffeljagd, doch die Zeiten der riesigen Herden sind definitiv vorbei. Als der erfahrene Jäger Miller Andrews von einem Tal in Colorado erzählt, dessen Zugang nur er kennt und in dem es noch eine tausende Exemplare zählende Herde geben soll, finanziert der junge Mann den Treck dorthin und vier Männer brechen auf. Die ersehnte Natur setzt ihnen in all ihrer Härte zu, Hitze, Kälte, Durst, Hunger und Anstrengung bis zur totalen physischen Erschöpfung. Williams präsentiert uns ein veritables Wild-West-Setting, doch was er daraus macht ist reinste, die tiefsten Saiten in uns zum Klingen bringende Sprachkunst. Hier wird die Prärie, werden die Leiden der Jäger, ja selbst das Abschlachten der Büffel zu wahrer Poesie.  Ein großer literarischer Wurf, 1960 erschienen und jetzt – endlich! möchte man ausrufen – zum ersten Mal ins Deutsche übersetzt. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Linus Reichlin: In einem anderen Leben

Galiani 2015, 384 S., € 19,99, Kiwi TB 9,99

(Stand März 2021)

reichlin-in-einem-anderen-leben-dante-connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergLuis Kindheit und Jugend sind geprägt von den Auseinandersetzungen zwischen seinen Eltern und dem Alkoholismus seines Vaters. Hinter der gutbürgerlichen Fassade der reichen Zahnarztfamilie herrschen Gefühlskälte und Aggressivität, die den Jungen schon mal zum Schlafen in den Keller treiben, da die Angst vor Ratten und Spinnen kleiner ist, als die vor dem Vater. Luis ergreift die erste Möglichkeit diesem Haus zu entfliehen und beginnt, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Doch seine Vergangenheit lässt ihn nicht los, bestimmt seine Ängste, seine instinktiven Reaktionen und die seiner Lebensgefährtinnen. Als er selbst Vater wird, holt Ihn die Last seines früheren Lebens mit aller Wucht ein.
Reichlin geht auf feinfühlige Weise der Frage nach, wie Kinder von Suchtkranken ihr Leben lang unter ihren Erfahrungen leiden und von diesen beherrscht werden. Dass dabei auch noch ein packend zu lesender Roman heraus gekommen ist, macht dieses Buch zu einer äußerst interessanten, lohnenden Lektüre. (Syme Sigmund)

Leseprobe

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Lydia Tschukowskaja: Untertauchen

Roman. Aus dem Russischen von Swetlana Geier. Mit einem Nachwort von Hans Jürgen Balmes. Dörlemann Verlag 2015, 256 S., € 19,-, TB Fischer 2017, € 15,-

(Stand März 2022)

Lydia Tschukoswkaja, enge Vertraute von Anna Achmatowa, deren Gedichte sie memorierte und vor dem Vergessen bewahrte, schrieb 1947 den Roman “Untertauchen”, der damals in der Sowjetunion nicht erscheinen durfte und dessen Veröffentlichung in den USA in den Siebzigern zu ihrem Ausschluss aus dem sowjetischen Schriftstellerverband führte. 1975 brachte ihn der Diogenes Verlag in der wunderbaren Übersetzung Swetlana Geiers heraus, er geriet hierzulande jedoch eher in Vergessenheit. Nun hat ihn der Dörlemann Verlag in einer zurückhaltend schönen Ausgabe neu verlegt. Eine bedeutende Autorin ist so zu entdecken, die undramatisch und unpathetisch von den Schrecken des Stalinismus erzählt, die auf Worte, auf die Sprache setzt, auf das, was überdauern wird.
Die Geschichte ist offensichtlich auobiografisch: Die Protagonistin, eine Übersetzerin, deren Mann 12 Jahre zuvor ins “Lager mit Briefverbot” verschleppt wurde, kann nicht länger verdrängen, dass er ermordet wurde und nie zu ihr zurückkehren wird. Es ist Winterende, sie macht eine Kur in einem Schriftstellerheim, wo sie sich vom Alltag aus Denunziation und Kontrolle zurückziehen und in ihre Innenwelt abtauchen will. Sie lernt dort Bilibin kennen, der ein Lager überlebt hat und dessen zögerliche Erzählungen davon sie als kostbare Details mit dem Schicksal ihres Mannes in Verbindung bringen kann. Während sich Bilibin letztlich mit dem System arrangiert, weigert sie sich zu vergessen, wegzusehen. Trotz des Themas ein großes Leseglück. (Stefanie Hetze)

Leseprobe

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Lizzie Doron: Who the Fuck Is Kafka

Roman. Aus dem Israelischen von Mirjam Pressler. dtv 2015, 264 S., € 10,90

(Stand März 2021)

doron-who-the-fuck-is-kafka_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergDie israelische Autorin Lizzie Doron schreibt dezidiert von Erfahrungen aus ihrem eigenen Leben. Eindringlich hat sie  die Auswirkungen der Shoah auf die Überlebenden und ihre Nachkommen zum Herzstück ihrer Romane gemacht und sich immer wieder mit den Traumata der Vergangenheit auseinandergesetzt. In Who the Fuck Is Kafka erzählt sie von der Gegenwart und einem wunderbaren Projekt, dem Versuch einer Freundschaft im heutigen Israel zwischen einem palästinensischen Journalisten und einer israelischen Schriftstellerin. Er möchte über sie beide einen Film drehen, sie ein Buch schreiben. Unterstützt von diversen enthusiastischen Unterstützerinnen außerhalb Israels bemühen sie sich um  gegenseitige Besuche im Zuhause des anderen und um Treffen in den jeweiligen öffentlichen Räumen. Doch die politischen Realitäten in Israel schlagen voll zu. Es kommt zu Missverständnissen, wahnsinnig absurden Situationen und existentieller Bedrohung für ihn. Ein Buch, das unter die Haut geht und als erstes in Deutschland erscheint, wunderbar übersetzt und lektoriert von Mirjam Pressler. (Stefanie Hetze)

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Saphia Azzeddine: Mein Vater ist Putzfrau

Aus dem Französischen von Birgit Leib. Verlag Klaus Wagenbach 2015, 128 S., Wagenbach TB, € 9,90

(Stand März 2021)

Paul, genannt Polo, lebt in prekären Verhältnissen in einer Pariser Vorstadt. Die Mehrheit seiner Mitschüler stammt aus arabischen, afrikanischen und Romafamilien, er aber aus einer weißen, die in den Ferien nirgendwohin fährt, nicht einmal in ein Heimatland. Er bleibt immer zurück, schämt sich als klein, hässlich und ungeliebt. Nachts muss er seinem Vater bei dessen Putzjobs helfen und lernt beim Abstauben die unterschiedlichsten Milieus kennen. Am Liebsten arbeitet er in der Bibliothek, in der er seine Liebe zu Wörtern und Büchern entdeckt. Während sein Vater Demütigungen bei der Arbeit mit zotigen Witzen wegsteckt und die Welt in einfachen Schablonen erklärt, reagiert Polo auf Ausgrenzung und Liebeskummer mit literarischen Anspielungen und schrägen Witzen, über die kaum jemand lacht. Es macht großen Spaß, seine Entwicklung zu verfolgen, da Saphia Azzeddine ihm sprachvirtuos eine große Bandbreite zwischen Jungsphantasien und Identifikation mit Romanfiguren verleiht. Und ganz nebenbei erfährt man eine Menge  über Jugendliche in den berüchtigten Banlieus. (Stefanie Hetze)

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Ahmed Mourad: Diamantenstaub

Thriller aus Ägypten, aus dem Arabischen von Christine Batterman, Lenos 2014, 407 S., € 24,80, Lenos TB € 14,90

(Stand März 2021)

mourad_diamantenstaub_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergDer Pharmavertreter Taha lebt zusammen mit seinem Vater in einer bescheidenen Kairoer Wohnung. Vom Fenster aus beobachtet der gehbehinderte Vater das Viertel und sieht dabei so einige Dinge, die nicht für aller Augen bestimmt sind. Als er schließlich in der gemeinsamen Wohnung erschlagen wird, ahnt sein Sohn, dass Geschehnisse von gegenüber dabei eine Rolle gespielt haben. Doch die Polizei weigert sich, Tahas Hinweisen dazu nachzugehen. Es wird offensichtlich geblockt, um lokale Machtinteressen zu wahren. Eine Hand wäscht die andere. Als Taha schließlich das Tagebuch seines Vateres findet, verhärten sich die Vermutungen, doch auch sein Vater hatte offensichtlich keine rein weiße Weste. Ein hochspannender, politischer Krimi und ein Gesellschaftsporträt des von Korruption und Machtschiebereien zerfressenen Ägyptens vor dem arabischen Frühling! (Jana Kühn)

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