dtv Reihe Hanser, 128 S., € 14,95 , ab 8
(Stand März 2021)
Der famose Band Es flattert und singt enthält Gedichte und mehr und alles für Kinder. So heißt es gleich im Untertitel – und es ist genauso! Gemeinsam mit der Illustratorin Marion Goedelt schicken Antonie Schneider und Christine Knödler darin das Huhn Helena und den Hahn Hanibal auf eine Reise durch die Welt der Sprache. Dabei dichtet Schneider traumwandlerisch fröhlich: Zucchini haben bei ihr feine Ohren und Zitronen werfen sich in Schale. Knödler wiederum erklärt auf zahlreichen Mit-Mach-Seiten in einfacher Sprache und mit vielen anschaulichen Beispielen, wie das so funktioniert mit den Reimen, den Haikus und den Elfchen und so weiter und so fort. “So wie sich die Clowns in der Manege die Bälle zuwerfen, kannst du mit Wörtern und Buchstaben werfen, mit Silben jonglieren”. Das macht Mut, zu reimen, was das Zeug hält und so der Fantasie Tür und Tor zu öffnen und Lust auf quirligsten Nonsens bekommt man sowieso. (Jana Kühn) Leseprobe

Wir alle kennen Stimmungen, die wir nicht näher beschreiben können. Auch für Stefano Massini war der Auslöser für sein Kompendium ausgedachter Wörter eine unartikulierbare Gefühlskrise, aus der er erst herausfand, als er sich neue Begriffe dafür ausdachte. Damit ward die Idee für diese außergewöhnliche Wörter- und Geschichtensammlung geboren. Massini schuf fantastische Worte, indem er sich von historischen Ereignissen und Persönlichkeiten wie Dorothy Parker, Rosa Parks oder der Shackletonexpedition, aber auch von literarischen Figuren wie Swifts Gulliver inspirieren ließ. Er erfand Begrifflichkeiten wie die „Parksiade“, „Dottienz“, „questisch“ oder die „Gulliverose“. Was es mit ihnen auf sich hat, erzählt er höchst abwechslungsreich wie in einem Füllhorn, das zudem fantasievoll illustriert ist.
Welch ein Glück und welch eine kaum auszuhaltende Traurigkeit ergreift einen beim Lesen dieses außergewöhnlichen Buches! Mattis, ein Mann Ende dreißig, lebt mit seiner Schwester Hege am Rand eines kleinen Ortes in einer Hütte am Ufer eines großen Sees. Im Dorf gilt er als „Dussel“, untauglich zur einfachsten Arbeit. Seine Schwester ernährt ihn mit, ist für ihn die einzige Bezugsperson. Doch Mattis lebt in seiner besonderen Welt, er denkt, schaut und spürt den Wörtern und der Natur nach, wird vom nächtlichen Flug einer Schnepfe bis ins tiefste Innere berührt. Er ist hochsensibler, unverstandener Außenseiter, möglicherweise Ausdruck des innersten Empfindens Vesaas eigener Künstlernatur. Als Hege einen Mann kennenlernt, verändert sich auch ihr Verhalten Mattis gegenüber. Wie von einem Erdrutsch erfasst verliert dieser immer mehr seinen emotionalen Halt. Die grandios-eindringliche, von Hinrich Schmidt-Henkel meisterhaft übersetzte Sprache des Romans versetzt uns direkt in Mattis hinein, lässt uns mit ihm fühlen, staunen, um Worte ringen – und verzweifeln. (Syme Sigmund)
Unterdrückte, Vergessene, Menschen, die nicht „verteidigungswürdig“ sind. Sie sind die Protagonisten von Elsa Dorlins Essay. Die Autorin begleitet uns auf einer langen Reise durch die Jahrhunderte, die mit Sklaven und Eroberern in der Kolonialzeit beginnt, mit den Suffragetten und dem Warschauer Ghetto weitergeht und über die Black Panthers und queeren Patrouillen bis hin zu zeitgenössischen Bewegungen führt. Im Fokus steht das Mittel der oft spontan entstandenen gewaltsamen Selbstverteidigung als einziges Instrument in den Händen der am meisten gequälten Minderheiten. Ein wichtiger Essay, der zu vielen Überlegungen anregt: Wer ist Angreifer, wer Opfer? Wir alle sind in einen ewigen Kampf verwickelt, in dem wir abwechselnd das eine oder das andere, manchmal beides sein können. Eine starke Lektüre. (Giulia Silvestri)
Auf stabilen Pappseiten präsentiert die niederländische Illustratorin Mies van Hout wieder einmal ein kleines Meisterwerk. In ihrem
Nach dem Rebel Girls-Erfolg erschien eine Reihe ähnlicher Bücher, die besondere Persönlichkeiten von überall und aus allen Zeiten kurz als Vorbilder präsentieren. Patricia Thoma hat einen eigenen Weg gewählt. Sie stellt jüngere Menschen von hier vor, die sich aktiv und kreativ gegen soziale Missstände wehren und tolle Projekte auf die Beine stellen: So eine Designerin, die Mode für Rollstuhlfahrerinnen und Blinde entwirft, Jugendliche, die sich konkret für Seenotrettung einsetzen oder ein junger Islamwissenschaftler, der mit einem eigenen Youtube-Kanal mit viel Humor Stereotype und Vorurteile aufbricht. Patricia Thomas ausdrucksstarke schwarz-weiß gezeichnete Bildergeschichten, in denen sie nur wenige gelblich-grüne Akzente setzt, porträtieren die Aktivist*innen in ihrem sozialen Umfeld und mit ihren eindrucksvollen mutigen Aktivitäten. Das ist ungemein anregend, mitreißend und zur Nachahmung empfohlen! (Stefanie Hetze)
„Satansbraten″ nennt der alte Großvater seine Enkelin Vita liebevoll. Als sie wegen Kinderlähmung jahrelang liegen musste, brachte er ihr zielsicheres Weitwerfen bei. Vita übte ohne Unterlass und erwarb so die kostbare Fähigkeit, nie aufzugeben. Diese Sturheit treibt die Elfjährige auch an, das Anwesen zurückzuholen, das ein berüchtigter Gangster ihrem Großvater abgetrickst hat. Mit einem genialen Plan und der Hilfe dreier neuer Freund*innen, die wie sie das Messerwerfen ihre Leidenschaften (Schlösserknacken, Luftakrobatik und Tiertraining) perfekt beherrschen, versucht sie das unvorstellbar Unsinnige. Die Jagd der Kinder auf den Verbrecher, der u.a. mit Immobilienspekulation sein Unwesen treibt, vor der Kulisse eines historischen New York ist rasant, aberwitzig und superspannend erzählt. Wie nebenbei thematisiert Katherine Rundell dabei aber auch, wie Ausgrenzung gegenüber allen, die nicht der Norm entsprechen, funktioniert, und wie die vier Kinder sich darüber hinwegsetzen! (Stefanie Hetze)
Dieses großformatige Hausbuch macht einfach gute Laune! Einheimische und exotische Heilpflanzen, meist Blumen, aber auch der Ebereschenbaum, die Ananas oder das Löwenzahnkraut werden in prachtvollen Tableaus und auf den Punkt gebrachten Texten zu ihrer Botanik, Besonderheit und Bedeutung porträtiert. Die Bilder schwelgen in Farben, Kostümen und Formen, da gibt es Seltsames, Märchenhaftes und Geheimnisvolles zu entdecken. Virtuos hat Olaf Hajek seine Anleihen bei Maria Sibylla Merian, der Renaissancekunst und der Folk Art zu eigenen stilisierten Bildwelten gezaubert, die – botanisch ganz genau – nur so vor Phantasie überborden und unmittelbar anregen, in Gedanken in diesem traumschönen Blumengarten herumzuspazieren und sich Geschichten dazu auszudenken! (Stefanie Hetze)
Dieser sorgfältig gestaltete Prachtband ist schon von außen ein Hingucker. Im Innern sind dann achzig wunderschöne, ganzseitige, großformatige Aquarelle des berühmten Ornithologen aus dem 19. Jahrhundert, ein Vorreiter seiner Zunft, zu entdecken, sowie im Anschluss ausführliche, sachkundige Portraits einzelner Arten, ihrer Eigenschaften, Nahrung, Feinde sowie – ein besonderes I-Tüpfelchen – die vielen verschiedenen Namen, unter denen sie bekannt sind (z.B. Turmfalke = Rötelweibchen oder Graukopf, Windweh oder Rüddelgeier, um nur einige zu nennen). Ein Buch zum Schauen, Blättern, Entdecken, Festlesen – und wieder Schauen, nicht nur für Vogelfans. (Syme Sigmund)
Als brillante Autorin wegweisender Essays wie „Camp“, „Die Krankheit als Metapher“ oder „Über Fotografie“, als kritische Intellektuelle, als New Yorker Jüdin, als streitbare Geliebte weniger Männer und vieler Frauen, als glamouröse vielfotografierte Erscheinung, als mit den Geistes- und Künstlergrößen der halben Welt befreundete Kosmopolitin, in ihren Themensetzungen und künstlerischen Formaten immer wieder für eine Überraschung gut, ragt Susan Sontag als weibliche Ikone des 20. Jahrhunderts weit heraus.