Andrea Scrima: Wie viele Tage

Aus dem Amerikanischen von Barbara Jung, Droschl Verlag 2018, 188 S., € 23,-

(Stand März 2021)

Scrima_Wie_viel_Tage_Danteperle_DanteConnectionDie Eisenbahnstraße und die Fidicinstraße in den Achtziger und Neunziger Jahren hier in Berlin-Kreuzberg und auf der anderen Seite des Atlantiks die Bedford Avenue, Kent Avenue und Ninth Street in New York  und Brooklyn bilden die Koordinaten, um die sich das Leben der amerikanischen bildenden Künstlerin Andrea Scrima dreht. Sie pendelt zwischen Wohnungen und Kontinenten und versucht, in diesen vielen Dazwischensituationen  ihren Alltag als Künstlerin, als Tochter, als Freundin und als Liebende zu  leben. Das ist nicht ohne. Nicht nur Gegenstände aus ihrer Vergangenheit, die sich nur mit viel Aufwand über den Atlantik verschiffen lassen, auch scheinbar belanglose Fundstücke, die sie in ihrem Kreuzberger Umfeld entdeckt und verwandelt, lösen Erinnerungen und Assoziationen aus. Diese verdichtet sie zu wunderbaren literarischen  Miniaturen, die um die großen Fragen nach Identität und Zugehörigkeit, nach Weggehen und Ankommen kreisen und gleichzeitig konkret das Lebensgefühl einer Künstlerin mit all seinen Widrigkeiten abbilden. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Esther Kinsky: Hain

Suhrkamp Verlag 2018, 287 S., € 24,-, Suhrkamp TB € 12,-

(Stand April 2021)

Kinsky_Esther_Hain_Buchhandlung_Dante_Connection_DanteperleEine Frau fährt wenige Monate nach dem Tod ihres Gefährten nach Italien in einen kleinen abgelegenen Ort in der Nähe Roms. Es ist Winter, kalt und leer. In langen Erkundungsgängen schaut sich die Erzählerin das genau an, was sie vorfindet: das Dorf, die Gassen, die wenigen Menschen, die Hügel, den Friedhof. Immer weiter vertieft sie sich in das sie umgebende Gelände.  Erinnerungen werden wach an zahlreiche Italienreisen mit dem auch verstorbenen Vater, einem leidenschaftlichen Kenner der etruskischen Kultur, Liebhaber italienischer Mosaiken und Landschaften. Viel seines detaillierten Wissens hatte er an seine Tochter weitergegeben.  Immer weiter dehnt die Autorin ihren Radius aus, unternimmt Ausflüge, streift einige Zeit durch die vom Wasser bestimmte, sich ständig verändernde Lagunenlandschaft des Podeltas und fächert so ein Italien fern der Klischees auf. Natürlich ist es ein Buch der Trauer angesichts des Verlusts, aber dank Esther Kinskys präzisem Blick und ihrer ungemein reichen Sprache eine außerordentliche Leseerfahrung und nicht zuletzt ein wunderbares Buch über ein Italien, wie es wirklich ist. Hain hat den Preis der Leipziger Buchmesse 2018 erhalten!!  (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Alain Mabanckou: Die Lichter von Pointe-Noire

Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller. Liebeskind 2017, 272 S. mit 20 SW-Fotografien,  € 20,-

(Stand April 2021)

Mabonckou_Alain_Die_Lichter_von_Pointe-Noire_Dante_Connection_Buchhandlung_DanteperleErstmals nach über 20 Jahren und dem beinahe ebenso lang verdrängten Tod seiner Mutter kehrt Alain Mabanckou in sein Heimatland zurück. Gleich auf den ersten Seiten seiner Memoiren schreibt er sich das schwierige komplexe Verhältnis zu seiner Mutter von der Seele, einer erst alleinerziehenden und später verheirateten Marktfrau, der eine Cousine Schlimmstes prophezeit hatte.
Nun kehrt er als berühmter Autor und Gast des Institut Français in seine Heimatstadt Ponte-Noire zurück und begegnet seiner überaus weit verzweigten Verwandtschaft. Sie feiern ihn, haben aber auch beträchtliche Ansprüche an ihn. Er trifft jede Menge Leute, kommt quer durch die Stadt, hört und registriert die unterschiedlichsten Geschichten, Meinungen und Glaubensvorstellungen.  Vieles, auf was er heute stößt, stimmt überhaupt nicht mehr mit seinen Erinnerungen überein, anderes dann wieder ganz unverhofft. In die Textpassagen streut er alte Fotos von früher und aktuelle Aufnahmen ein, was die Wechselseitigkeit vom Erinnerten und dem Heutigen aufs Lebendigste verstärkt. Berührendes, Persönliches kontrastiert er in seinem Buch kunstvoll mit zufälligen Begebenheiten und würzt es mit viel Humor. (Stefanie Hetze)

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Dienstag, 6. März 2018

Petina Gappah: „Die Schuldigen von Rotten Row“

Foto_Gappah_©Patrick Bertschmann_300dpi (2)

Nach ihrem sehr erfolgreichen Roman „Die Farben des Nachtfalters“ legt Petina Gappah in diesen 20 Erzählungen ein schillerndes Porträt ihrer Heimat Simbabwes vor und wirft mit bestechendem Humor universelle Fragen zu Recht und Unrecht auf. „Rotten Row“ ist eine ebenso berühmte wie geschichtsträchtige Straße in Harare, Hauptstadt Simbabwes, die einmal Salisbury hieß, als Simbabwe noch die britische Kronkolonie Rhodesien war. Unter anderem befindet sich hier der Strafgerichtshof, sprudelnder Inspirationsquell für Petina Gappah, die in diesen miteinander verknüpften Stories ein Kaleidoskop menschlicher Vergehen schafft. Harares berühmt-berüchtigte Sammeltaxifahrer tauchen dabei ebenso auf wie Marktfrauen, Friseurinnen, korrupte Polizisten, gerissene Anwälte, redselige Richter und viele weitere unvergessliche Figuren.

Wir freuen uns auf den bereits zweiten Besuch der wunderbaren Autorin und ihrer fabelhaften Übersetzerin Patricia Klobusiczky, die den Abend erneut moderieren wird.

wann? Dienstag, den 6. März 2018 um 20.15 Uhr
wo? in unserer Buchhandlung

Vorverkauf 6 € / 4 €
Abendkasse 8 € / 5 €Bereits bezahlte Tickets der ausgefallenen Lesung am 2. Februar behalten selbstverständlich ihre Gültigkeit.

Manal al-Sharif: Losfahren

Aus dem Englischen von Gesine Strempel unter Mitarbeit von Joachim von Zepelin, Secession 2017, 379 Seiten, € 25,-

(Stand April 2021)

Sharif_Losfahren_Danteperle_DanteConnectionViele für uns selbstverständliche Dinge werden Frauen in Saudi-Arabien ohne männlichen Vormund nicht zugestanden, u.a. das Autofahren. Manal al-Sharif, eine der wichtigsten Frauenrechtlerinnen der arabischen Welt, hat sich ins Auto gesetzt und ist einfach losgefahren – dafür kam sie ins Gefängnis. Dass es keinesfalls einfach war, wie sie sich vorbereitete und was es für Folgen hatte, das erzählt sie in ihrem eindringlichen autobiografischen Bericht, der gleichzeitig ein breit angelegtes gesellschaftliches Panorama sowie einen historischen Abriss der islamischen Radikalisierung Saudi-Arabiens bildet. Und selbstredend ist das Recht am eigenen Steuer zu sitzen pars pro toto gedacht: »Ich glaube, dass Kinder nicht frei sein können, wenn ihre Mütter nicht frei sind, Eltern können nicht frei sein, wenn ihre Töchter es nicht sind, Ehemänner können nicht frei sein, wenn ihre Ehefrauen es nicht sind, die Gesellschaft ist nichts wert, wenn Frauen nichts wert sind. Wir kämpfen nicht darum, Auto zu fahren, wir kämpfen darum, unser Schicksal in die Hand nehmen zu können.« Das beeindruckende Zeugnis einer unglaublich mutigen Frau, die mit ihrem tiefen Glauben gegen ein schlicht erzkonservatives, patriarchales Vormundssystem ins Feld zieht! (Jana Kühn)

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Alice Piciocchi und Andrea Angeli: Kiribati

Aus dem Italienischen von Barbara Holle. Sieveking 2017, 144 S., € 29,-
(Stand März 2021)

Piciocchi_Alice_Kiribati_Dante_Connection_BuchhandlungMitten im pazifischen Ozean liegt ein Land, das nur aus Inseln besteht. Dort sind die Menschen trotz Einzug der Technologie tief mit ihren Traditionen verbunden, werden Krankheiten noch von Zauberern geheilt und Walfische mit einem Lied gerufen. Durch den Klimawandel riskiert Kiribati bald im Meer zu versinken. Die  Bewohner leben dennoch wie seit jeher nach dem Rhythmus von Ebbe und Flut. Alice Piciocchi und Andrea Angeli sind nach Kiribati gereist und haben eine einzigartige Mischung aus Graphic Novel und anthropologischem Bericht in Form eines anspruchsvollen visuellen Tagebuchs geschaffen und die Geschichte eines verlorenen Paradieses erzählt. (Giulia Silvestri)

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Albert Asensio: Die blaue Bank

Aus dem Spanischen von Natalja Dudek, àbac 2017, 48 S., € 14,95, ab 4
(Stand März 2021)

Die_blaue_Bank_DanteConnection_DanteperleEine Bank im Park. Tag für Tag finden hier Begegnungen statt. Alle Welt setzt sich auf die Bank. Ganz alltäglich passiert das und dabei entstehen mal kleine mal ganz große Gefühle. Die Jahreszeiten kommen und gehen und die Welt verändert sich – die Bank bleibt. Mit viel Liebe zum Detail hat Albert Ansensio in zarten Bleistiftlinien und pastelligen Aquarellfarben, vor allem in aller Beiläufigkeit die ganze Vielfalt des Lebens eingefangen. (Jana Kühn)

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Katharina von der Gathen & Anke Kuhl: Das Liebesleben der Tiere

Klett Kinderbuch 2017, 144 S., € 18,-, ab 8
(Stand März 2021)

Von_der_Gathen_Kuhl_Liebesleben_der _Tiere_DanteConnection_DanteperleSo lernen sich Marienkäfer kennen?! Deshalb quaken also Frösche?! Und hoppla, bei den Löwen geht es vielleicht zur Sache! Vom ersten Balztanz, über Paarung und Geburt bis zum Tierfamilienalltag hat Katharina von der Gathen kundig und gänzlich ohne Scheu kuriose Fakten über das Liebesleben der Tiere zusammengetragen. Anke Kuhl hat diese in bekannter Manier extrem witzig und frech illustriert. Man staunt, man kichert auch. Aber kein Grund für rote Ohren – so verrückt und vor allem vielfältig ist die Natur eben. Tierisch verliebt von A wie Aal bis Z wie Zebra – ein ganz besonderes Nachschlagewerk für die ganze Familie! Leseprobe

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Helge-Ulrike Hyams: Das Alphabet der Kindheit

Von A wie Atmen bis Z wie Zaubern. Berenberg 2017, 447 S., € 29,-
(Stand März 2021)

170428_Hyams_U1_rz.inddWas für ein Buch! Die leidenschaftliche Pädagogin, Leiterin des Marburger Kindheitsmuseums und Sammlerin deutsch-jüdischer Kinderbücher teilt in diesem dicken Hausbuch ihren reichen Erfahrungs- und Wissensschatz. Ganz große Themen wie Ich, Scham oder Lügen kombiniert sie mit scheinbar Nebensächlichem wie Karussell, Murmeln oder Gang und fächert so den unendlichen Kosmos Kindheit zum Immerwiederlesen und Anregenlassen auf. (Stefanie Hetze)

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Elvira Dones: Hana

Aus dem Italienischen von Adrian Giacomelli. Mit einem Nachwort von Ismail Kadare. Ink Press 2016, 252 S., € 19,00
(Vergine giurata, Feltrinelli 2016, ca. € 14,-)

(Stand April 2021)

In den Bergen im Norden Albaniens herrscht auch in kommunistischen Zeiten eine archaische Welt, in der die Geschlechterrollen fest zementiert sind. Für Frauen gibt es gar keinen Bewegungsraum. Nur wenn sie Jungfrau sind und ganz ihrem Geschlecht entsagen, können sie übertreten und als Mann lebend männliche Rechte erwerben. So bestimmt es das Gewohnheitsrecht Kanun.
Um für ihren schwerkranken Onkel Medikamente aus der Stadt besorgen zu können und einer Verheiratung zu entgehen, bleibt der jungen Hana keine andere Wahl, als einen Schwur abzuleisten und äußerlich zu einem Mann zu werden. Blitzschnell verwandelt sie sich in den fluchenden, trinkenden LKW-Fahrer Mark, der sich vor allem und jedem abschottet. Die literatur- und männerliebende Hana bleibt tief in ihrem Inneren verborgen. Erst viele Jahre später kann Mark über den Umweg des amerikanischen Exils versuchen, wieder zu Hana zu werden, das bedeutet zu einem begehrenden und begehrten komplexen Menschen. Das gestaltet sich alles andere als leicht. Um so erstaunlicher, wie mühelos und bravourös die Autorin diesen Prozess mit ihrem im Original auf Italienisch geschriebenen Roman beschreibt. Ein großes Lesevergnügen, das sehr zum Nachdenken über Gender anregt. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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