Lena Müller: Restlöcher

Edition Nautilus 2021, 128 S., € 18,-
(Stand April 2021)

Sando ist in einen jungen Mann verliebt, den er Fuchs nennt. Der Fuchs, ein mysteriöser Typ, hat ihn jedoch verlassen. Er ist einfach verschwunden, keiner weiß wohin. Noch während Sando ihm nachhängt, meldet sich seine Schwester: Auch ihre Mutter ist verschwunden. Sie hat eine rätselhafte Nachricht bei ihrem Vater hinterlassen: „Mach dir keine Sorgen, mir geht es gut“. Was nun? Die zwei Geschwister machen sich auf die Suche. Damit startet eine Fahrt in die Vergangenheit, in der die damals noch junge Mutter mit ihren zwei Kindern nach West-Berlin gezogen war, um ihre Träume zu erfüllen. In ruhigem Tempo und mit leiser Stimme erzählt Lena Müller die Geschichte einer Frau, die Mitte der Achtziger für ihre Unabhängigkeit kämpfte, als es so viel bequemer gewesen wäre, in der kleinbürgerlichen Sicherheit einer klassischen Kleinfamilie zu bleiben. Sie erzählt von Einsamkeit und Verlust und schildert dabei die vielschichtigen Gefühle, die entstehen, wenn eine Person sich entfernt, von den Dynamiken zwischen Geschwistern und von der Kraft geteilter Erfahrungen. Ist es möglich, über starke Emotionen zu schreiben und dabei nie laut zu werden? Anscheinend schon, dieser kompakte literarische Genuss beweist es. (Giulia Silvestri) Leseprobe

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Abdel Hafed Benotman: Müllmann auf Schafott

Aus dem Französischen von Lena Müller, Verlag Matthes & Seitz Berlin 2020, 278 S., € 22,-

(Stand März 2021)

Müllmann_auf_Schafott_Danteperle_DanteConnectionAlle Leser*innen kennen es: Ein Buch beginnt und das erste Kapitel ist einfach unglaublich. Man könnte meinen, das Buch ist schon allein der ersten Seiten wegen lesenswert. Dann liest man weiter und der Text bleibt spannend, die Sprache einzigartig, die erzählten Ereignisse mal brutal, mal lustig, mal tragisch, der Ton mal zärtlich, mal roh und immer sehr ernst.
Dieser autobiografische Roman ist genau so ein Fall: Erzählt wird die Geschichte von Faraht Bounoura, genannt Fafa, und seiner Familie, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg aus Algerien nach Frankreich migrierte. Im Paris der 1960er führen Fafa und seine Geschwister ein ziemlich hartes Leben. Gefangen zwischen einem gewalttätigen, ungebildeten Vater und einer labilen Mutter, versuchen die Kinder der Sackgasse zu entkommen. Dies bedeutet nur eines – auf der Straße landen und das Straßenleben ist gnadenlos. Rassismus, Missbrauch, Kriminalität, Knast sind einige der Themen, die dieser stürmische Text thematisiert.
Mit einer Sprache, die an Rap erinnert, gibt Benotman vielen Straßenkindern eine Stimme, die wie ein Ruf nach Liebe klingt. Bücher wie dieses sind selten zu lesen! (Giulia Silvestri)

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Nicolas Mathieu: Wie später ihre Kinder

Aus dem Französischen von Lena Müller und André Hansen, Verlag Hanser Berlin 2019, 445 S., € 24,-, Piper TB 2021, € 12,-
(Stand März 2021)

Mathieu_Nicholas_Wie_später_ihre_Kinder_Dante_Connection_Buchhandlung_Danteperle Anfang der Neunziger – nichts geht mehr in diesem öden Teil Frankreichs. Die Hochöfen sind abgestellt, die Fabriken geschlossen, die Arbeiter entlassen, die Häuschen und Wohnungen der Menschen eng und provisorisch. Unter diesen miesen Bedingungen wachsen Anthony, Hacine und ihre Cliquen heran. Auf keinen Fall wollen sie eine so erbärmliche Existenz wie ihre Eltern führen. Sie wollen was vom Leben, eine schnelle Maschine, Alkohol, Drogen, Sex. Dass sich das alles nicht legal verwirklichen lässt, nehmen sie in Kauf. Anthony hat es ausgerechnet auf Steph abgesehen, die bessergestellte Tochter des Mercedeshändlers, Hacine steigt tief in den Drogenhandel ein. Das kann alles nicht gutgehen. Mathieu, von Haus aus Soziologe, geht in seinem fulminanten Roman fast unaushaltbar nah an seine Protagonisten heran, seine direkte Sprache bringt es auf den Punkt. So sehr man es sich auch wünscht, unter diesen Bedingungen gibt es kein Entrinnen. Ein großer Wurf. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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