(Suhrkamp 2013), 157 S., Tb suhrkamp 2014, € 8,00
(Stand März 2021)
Über die 68er Bewegung und die RAF sind sicher schon mehrere Regalmeter verfasst worden – Romane, Biographien und Sachbücher. Dieses schmale Buch von Ulrike Edschmid sticht für Zeitzeugen und auch für jüngere Generationen aus der Menge hervor. Anrührend wie kenntnisreich erinnert sich eine Frau nach vierzig Jahren an eine ihrer wichtigsten Beziehungen, überhaupt wohl an eine der bedeutsamsten Phasen ihres Lebens. 1967 lernt sie Philip S. kennen. Schnell wird er ihr zum Vertrauten, zum Geliebten und Partner. Doch in der zunehmenden politischen Radikalisierung wird das Band zwischen beiden stetig dünner. Edschmids verdichtete Sprache zeichnet in wenigen Worten ein lebendiges Bild dieser Zeit, das in jeder Hinsicht unter die Haut geht. (Jana Kühn)

1953 in der Sowjetunion, Stalin ist gerade tot, es herrschen angespannte Verhältnisse – drei 12jährige Jungen, die völlig herausfallen aus dem, was sein darf, haben das Glück, auf einen neuen Lehrer zu treffen, der ihre Leidenschaft für Literatur und Kunst mit langen Spaziergängen durch Moskau fördert. Das ist die Ausgangslage für Ljudmila Ulitzkajas fesselnden Roman, in dem sie die Schicksale ihrer drei Protagonisten, die aus Liebe zu Literatur und Musik zu Dissidenten werden, über viele Jahrzehnte und in vielen Facetten begleitet. Ein großartiges Porträt einer Gesellschaft in Unfreiheit zum Lesen an langen Winterabenden. (Stefanie Hetze)
Was wäre passiert, wenn Michelangelo im Jahr 1506 die Einladung des Sultans angenommen und in Konstantinopel eine Brücke über das Goldene Horn entworfen hätte? Matthias Énard spinnt ein Gewebe aus Fiktion und Fakten, das den Künstler in einen fruchtbaren Schwebezustand zwischen Orient und Okzident versetzt. Die Geschichte des Mittelmeerraums verbindet sich mit der Macht des Geschichtenerzählens. Ein kleines Juwel, atmosphärisch und fein komponiert. (Judith Krieg)
Eine nicht mehr junge Frau findet das, wonach sie so lange, immer und keinesfalls auf der Suche war, dass es ihr mehr als schwer fällt, sie anzunehmen: die Liebe. Sie hat sich eingerichtet in ihrem Alleinsein, das sie ehrlicher und lebbarer empfindet als all die zwischenmenschlichen Beziehungskatastrophen, die sie umzingeln. Und dann erwischt es sie doch. Und sie traut sich. Doch eines Tages ist der Mann verschwunden. Als Ich-Erzählerin berichet die Frau selbst aus ihrem Leben vor, mit und nach dem Mann. Schonungslos offen und genau bis ins kleinste emotionale Detail ist der Erzählton. Dabei wird es jedoch nie weinerlich, denn Sibylle Berg bleibt auch in ihrem neuesten Roman ihrem ganz eigenen und immer hart am Zynismus schrammenden Humor treu. (Jana Kühn)
Ein Gesellschaftsroman aus dem heutigen Israel – und noch viel mehr. Zwei Männer, die ohne sich zu kennen Seite für Seite aufeinander zu steuern, irgendwann (vor allem aus Eifersucht) rasen, bis sie schließlich in einem quasi kriminellen Finale aufeinander prallen. Und bis dahin haben wir das Buch kaum aus der Hand legen können. (Jana Kühn)
Neapel, Anfang der 50er Jahre. Hier wächst ein Waisenjunge auf, versorgt von Don Gaetano. Dieser lehrt ihn Zuhören, Geduld, Selbstbeherrschung – das Leben zu meistern. Die Geschichten Don Gaetanos, erzählen von den “Tagen der Freiheit”, den vier Tagen von Neapel im September 1943, als die Bevölkerung der Stadt sich gegen die deutsche Besatzung auflehnte und es schaffte, diese noch vor Eintreffen der Amerikaner zu vertreiben. Und diese Tage dem Vergessen zu entreißen ist auch das eigentliche Anliegen Erri de Lucas, der hier seiner Heimatstadt, ihrer Spontaneität und ihrer unverwechselbaren Anarchie ein Denkmal setzt. Gewalt und Freiheit, Glück und Tod liegen nah beieinander. Neapel als mythischer Ort fundamentaler Erfahrungen. (Syme Sigmund)
Die Mutter weg zur Entziehungskur, der Vater, ein Immobilienspekulant, mit der Geliebten auf Geschäftsreise. Das sind Maiks Sommerferien im äußersten Osten Berlins – bis Tschick, der Neue in seiner Klasse, mit einem geklauten Lada auftaucht. Die rasante Fahrt der zwei 14-Jährigen durch verlassene Teile Ostdeutschlands ist grandios erzählt. Man streitet sich fast, wer das Buch als nächster lesen darf!! (Franziska Kramer)