Aus dem Englischen von Brigitte Hilzensauer, Zsolnay 2016, € 26,90, TB dtv 2018, € 13,90
(Stand April 2021)
Wenn den Autor und Keramikkünstler Edmund de Waal etwas packt, lässt er nicht mehr davon ab und geht den Dingen auf den Grund. Fasziniert ist er von Porzellan als hartem schönem Material und von der trügerisch reinen Farbe Weiß, die Komponenten seiner eigenen ausgeklügelten Kunstwerke. Immer präsent ist die gnadenlose andere Seite, die Kämpfe um die Porzellanherstellung, die Arbeitsbedingungen, die Instrumentalisierung des Porzellans durch die Machthaber und nicht zuletzt seine Zerbrechlichkeit. Quer durch die Jahrhunderte und rund um den Globus reist de Waal auf den Spuren seiner Obsession, auf die sich einzulassen ungemein mitreißende Lektüre verspricht.

Edmund de Waal („Der Hase mit den Bernsteinaugen“) hat jetzt einen Roman seiner Großmutter Elisabeth herausgegeben, einer hochgebildeten, aber zeitlebens unveröffentlichten Autorin aus der Ephrussifamilie, die aus Wien vertrieben und enteignet wurde.
Hinter einem sperrigen Titel, geschrieben von einem hierzulande bislang unbekannten Autor, dem englischen Keramikkünstler Edmund de Waal, verbirgt sich eines der faszinierendsten Bücher dieses Jahres. Ausgehend von kleinen Erbstücken, kostbaren japanischen Minaturschnitzereien (Netsuke) rekonstruiert de Waal die Geschichte seiner Familie, einer jüdischen Getreidehändler-, Bankiers- und Kunstsammlerfamilie im 19. und 20. Jahrhundert. Dabei spannt er einen Bogen von Paris, Wien, Odessa, Tokio nach London, erzählt vom kometenhaften Aufstieg, enormem Reichtum, Mäzenatentum, von Verfolgung, Enteignung und Vertreibung – und wie die Netsuke, die dank einer Hausangestellten als einziges von all den Besitztümern überlebt haben, zu ihrem Ursprung nach Tokio zurückkamen. Ganz ohne Nostalgie, aber präzise und einfühlsam gelingt de Waal eine ganz neue Form der Familienerzählung. Ganz nebenbei schreibt er auch eine weitläufige europäische Geschichte. Unbedingt lesen. (Stefanie Hetze)