Aus dem amerikanischen Englisch von Marion Kraft. Sandmann 2024, 176 S., € 24,-
Die feministische Autorin und Intellektuelle bell hooks steht für außergewöhnliche Sachbücher, in denen sie sich richtungsweisend mit Geschlecht, Liebe, Klasse und Race auseinandersetzt. Endlich erscheint in deutscher Übersetzung ihr Memoir über ihre Kindheit, das im Original bereits 1996 erschien und in dem sie ihre großen Themen literarisch verdichtet. In kurzen Kapiteln erzählt sie vom Aufwachsen in einer armen Schwarzen Familie, in der viel Gewalt herrscht, in der die Mutter aber dennoch versucht, ihren Kindern mehr als Nahrung und Kleidung zu bieten. Nur bei dieser Tochter, die so sehr ihren eigenen Kopf hat, scheitert sie und sondert sie regelrecht aus. Als Kind schon Außenseiterin in der eigenen Familie retten sie die Bücher und die Erzählungen ihrer Vorfahren. Notgedrungen beginnt sie früh aus ihrer isolierten Position heraus, für sich nachzudenken und eigene Sichtweisen zu entwickeln. In ihren Erinnerungen wechselt sie dabei zwischen der Innenperspektive und einem Blick von Außen, erzählt so ganz persönlich von sich und objektivierend von vielen US-amerikanischen Schwarzen Mädchen ihrer Zeit. Das ist anregend, klug, großartig. (Stefanie Hetze) Leseprobe

Issa ist verwirrt: Sie ist schwanger, hin- und hergerissen zwischen Kindsvater („sofort heiraten“), ihrer Mutter („abtreiben“) und eigenen Gefühlen und Plänen. Mehr oder weniger freiwillig lässt sie sich darauf ein, aus der deutschen Großstadt zu ihrer Großmutter und Urgroßmutter nach Kamerun zu fliegen, um dort an traditionellen Ritualen teilzunehmen. Das Haus der Omas, ihre Strenge und Rätselhaftigkeit, ihre Liebe und Klugheit sind ihr aus der Kindheit eng vertraut. Sie kann anfangen zu entspannen, ist sie nicht nur dem Zerren ihrer Engsten entronnen, sondern auch dem deutschen Rassismus. Gleichzeitig eckt sie in der unüberschaubar weit verzweigten afrikanischen Großfamilie mit ihrem „Deutschsein“ an und lässt die Rituale wie etwas Äußerliches über sich ergehen.
Dieses Buch ist eine Wucht: 14 Erzählungen einer ganz jungen us-amerikanischen Autorin, die 60 Jahre nach ihrem Entstehen erstmals in ganzer Fülle erscheinen. Erzählungen einer schwarzen Autorin, die den in intimste Bereiche eindringenden allumfassenden Rassismus der amerikanischen Gesellschaft in den Sechzigerjahren tiefenscharf offenlegt. Die Gefühle, die Schikanen, die Zerrissenheit, ob sich wehren und sich und damit auch seine Kinder in Gefahr zu bringen oder sich mit den desaströsen Verhältnissen abzufinden, stehen im Zentrum der eindrücklichen Erzählungen. Die Bürgerrechtsbewegung ist erst in den Anfängen, was bedeutet es für die Menschen, mühsamst erkämpfte Rechte einzulösen? In wenigen Worten geht die Autorin aufs Ganze. Wie fühlt sich zum Beispiel eine Familie, deren Kind am nächsten Morgen unter Polizeischutz in eine weiße Schule gehen könnte und massiv bedroht wird? Wie eine Schwarze Collegestudentin, deren Eltern sie unbedingt in einem weißen College unterbringen wollten? Das geht wirklich unter die Haut, rüttelt auf und lässt viele Vergleiche zu heutigen Formen des Rassismus aufkommen. Leider ist Diane Jones schon mit 22 Jahren tödlich verunglückt. Ihre Erzählungen sind ein Glück für die literarische Welt. (Stefanie Hetze)
Was ist das? Ein weißer Umschlag mit einer rein schwarzen typographischen Gestaltung, die die Sprengkraft dahinter nur in dem übergroßen Zeichen für „Und“ andeutet. Dass in Putins Russland ein einziges Icon Menschen ins Gefängnis bringen kann, davon erzählen diese Geschichten der jungen Autorin, Feministin und Antikriegs-Aktivistin Darja Serenko. Im ersten Teil des Bands erzählt sie in poetisch verdichteten Texten von Frauen, die in den patriarchal-autoritären Kulturinstitutionen Russlands herabgewürdigt als „Mädchen“ drangsaliert werden. Die Autorin, die „Hunderte“ von ihnen in Bibliotheken, Universitäten usw. befragt hat, erzählt ganz aus dem Inneren des totalitären Alltags, der von geradezu absurder repressiver Willkür geprägt ist. Wie sich dieses Leben zwischen Mitmachen und Entziehen für Frauen anfühlt, vermittelt sie bravourös. Die prägnanten Illustrationen intensivieren dieses Dilemma zusätzlich. Was die Konsequenz eines kleinen Aufbegehrens dagegen ist, wird im zweiten Teil des in Russland nicht veröffentlichten Gefängnistagebuchs deutlich spürbar. Serenko verschränkt hier dokumentarisches Schreiben, essayistische Reflexionen und träumerische Poesie und bewegt sich so eindrücklich zwischen Verzweiflung, Kampf und Hoffnung hin und her. Die Anmerkungen Christiane Körners erhellen viele uns hierzulande unverständlichen Anspielungen. Mittlerweile lebt die Autorin im Exil. (Stefanie Hetze)
„Es sei sehr einfach in graziöser Weise mit dem Strom zu schwimmen, aber einer Gegenströmung zu trotzen erfordere etwas ganz anderes.“
Wolf Erlbruchs Bilder zum Thema Mut sind echte Klassiker und vielen bekannt. Neu sind die dazu verfassten Gedichte von Arne Rautenberg, und die sind – großartig! Sprachgewandt mit Witz und Rhythmusgefühl geht es durch die verschiedenen Weisen, Mut zu haben, ob beim Seiltanzen, beim Küssen oder dabei, ein Geheimnis zu Bewahren. Das macht sowohl Erwachsenen als auch Kindern großen Spaß, ob selbst- oder vorgelesen, das rast, schmettert und fetzt ganz wunderbar. (Syme Sigmund) 
Cushla, 24, hat in dem kleinen, überwiegend protestantischen Ort bei Belfast im Jahr 1975 kein leichtes Leben. Neben ihrer Arbeit als Grundschullehrerin, kümmert sie sich um ihre alkoholkranke Mutter und hilft abends im Pub ihres Bruders an der Bar. Katholiken wie sie kann hier jedes falsche Wort in Schwierigkeiten bringen oder sogar das Leben kosten. Für die Kinder ihrer Klasse zählen Bomben, Tote und Schikanen zu ihrem Alltag. Als der Vater eines ihrer Schüler fast zu Tode geprügelt wird, setzt sie sich für die Familie ein. Zeitgleich beginnt sie heimlich eine Affäre mit einem sehr viel älteren Prozessanwalt, der auch noch verheiratet und protestantisch ist. Als die Ereignisse sich zuspitzen, verliert sie immer mehr die Kontrolle über ihr Leben und gerät nicht nur selbst in große Gefahr.
Ein faszinierendes Spiel der Assoziationen, Verknüpfungen und gedanklichen Bezüge bieten uns diese Essays des nigerianischen Autors und Fotografs Teju Cole, der heute in den USA lebt. So folgt er den Wegen von Caravaggios Exil von Rom über Neapel nach Sizilien und Malta und verbindet dieses, und die dort entstandenen Kunstwerke mit den Spuren der heutigen Exilanten, die über das Mittelmeer kommen. In „Elegien“ würdigt er so unterschiedliche Künstler wie Tranströmer, Kassé Mady Diabaté oder Aretha Franklin und verbindet seine Hörerfahrung von Beethovens Streichquartett Nr. 15 op. 132 mit Erinnerungen an New York, Ramallah, Beirut und Berlin. Stets aufs Neue findet er überraschende Parallelen zwischen scheinbar voneinander unabhängigen Sphären, regt an, die Welt, auch die Dunkelheit, mit allen Sinnen zu erfahren, plädiert „für einen Haltung der wachen Sinne“, vereint immer wieder Ästhetik, Ethik und Politik, ohne dabei in Plattitüden zu verfallen. Es begegnet den Leser:innen ein intellektueller Autor im besten Sinne des Wortes, überraschend, anregend und inspirierend, der die Schönheit erfasst, ohne vor dem Elend der Welt die Augen zu verschließen. (Syme Sigmund)
Allison ist von zu Hause abgehauen, sie hat es mit ihrem gewalttätigen Vater nicht mehr ausgehalten. Als sie sich im Schuppen der alten Marla versteckt, und diese sie für ihre Jugendfreundin Toffee hält, nimmt Allison diese Rolle an – zunächst nur, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Doch langsam spinnt sich ein zartes Band zwischen der dementen Frau und dem 15-jährigen Mädchen. Denn Allison/Toffee nimmt Marla ernst, gibt ihr wieder Glück und Zuneigung, die sie von ihrem kalten Sohn und der regelmäßig vorbeischauenden Sozialarbeiterin nicht bekommt. Und auch Marla hilft Allison auf ihre ganz eigene Art, wieder Halt und Zuversicht im Leben zu finden.