Esther Kinsky, Martin Chalmers: Karadag Oktober 13

Aufzeichnungen von der kalten Krim. Matthes & Seitz 2015, 220 S., 19,90 €

(Stand März 2021)

26_kinsky_karadagEsther Kinsky und ihr Lebensgefährte Martin Chalmers begeben sich im Oktober 2013 auf die Krim, um ihr erstes gemeinsames Buchprojekt zu realisieren. Das Wetter auf der Halbinsel zwischen Europa und Asien, zwischen Sehnsuchtsort und krasser Realität, ist winterlich kalt. Die Landschaft und die Orte sind eher abweisend, halbwilde Pferde, Hunden und Katzen prägen das Bild. Viele Bücher und Filme über die Krim kennen sie, mit im Gepäck haben sie einen Bericht des Engländers Laurence Oliphant aus dem Jahre 1852. Kinsky und Chalmers notieren beide ihre Beobachtungen und Erlebnisse, die aus den gleichen Situationen herrühren, beide beschreiben sie sie auf ihre eigene Art, was einen ungeheuren Reiz ausmacht. Hinzu kommt immer wieder die Stimme Laurence Oliphants. Leider ist dieses Buch das Vermächtnis  Martin Chalmers. Esther Kinsky hat nach dessen Tod seine Textfragmente zusammengestellt und sie mit ihren eigenen kombiniert und ein besonderes Buch zweier Reisender über ein besonderes Stück Welt geschaffen! (Stefanie Hetze)

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Pierre Bost: Bankrott

Aus dem Französischen von Rainer Moritz, Dörlemann Verlag 2015, 260 S., € 20,-

(Stand März 2021)

Bost, Bankrott.inddBrugnon ist Erbe eines großen Familienunternehmens. Impulsiv und unbeherrscht regiert er despotisch in seinem kleinen Reich, schont dabei aber auch sich selber nicht. Die Liebe zu einer jungen Angestellten, die ihn kaltblütig ausnutzt, führt in die Krise bis zur Katastrophe. Pierre Bost, ein Meister der psychologischen Studie und der Gesellschaftsanalyse, zeichnete hier schon 1928 das äußerst aktuell anmutende Bild der Midlifecrisis eines sich bis an die Grenzen des Burnouts verausgabenden Geschäftsmannes, eines Workaholics, ständig in Eile und das Telefon kaum je aus der Hand legend. Sich selbst überschätzend, von einer späten Leidenschaft hinweggerissen und alle Ratschläge in den Wind schlagend schlittert er unerbittlich in den totalen finanziellen und persönlichen Ruin. (Syme Sigmund) Leseprobe

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Henry James: Die Gesandten

Neu übersetzt von Michael Walter. Hrsg. Von Daniel Göske. Hanser 2015, 704 S., € 39,90, dtv TB 17,90

(Stand März 2021)

James_24917_MR1.inddDer abgeklärte Lambert Strether soll den jungen Erben Chad Newsome aus dem schlimmen Sündenpfuhl Paris und den Armen einer unmoralischen Frau heim in die anständige amerikanische Provinz holen. Natürlich geraten seine Vorstellungen und Prinzipien ins Wanken. Meisterlich, wie Henry James das Vor, Zurück und Seitwärts der Gefühlswelten seines Protagonisten orchestriert. Großartig übersetzt, mit Nachwort, Anmerkungen, zwei Lesebändchen und handschmeichelndem Dünndruckpapier. Festtägliches Lesevergnügen garantiert!

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Frauen und Kleider. Was wir tragen, was wir sind

Hrsg. von Leanne Shapton, Sheila Heti & Heidi Julavits. Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeits & Britt Somann. Fischer 2015
Dieses Buch ist leider vergriffen!
(Stand April 2021)

33_frauen_und_kleiderEin Füllhorn: Hunderte Frauen, Künstlerinnen, Unbekannte, Prominente, Junge und Ältere, Weisse, Schwarze… äussern sich über das, was sie tragen, wie sie sich sehen und was sie mit ihrer Kleidung verbinden. Fragebögen, Foto- und Textcollagen, Gespräche, Selbstauskünfte sowie Abbildungen von Kleider-, Socken-, Brillen…sammlungen wechseln einander ab und ergeben ein vielstimmiges anregendes Bild. Es macht großen Spaß, in diesem Schatz zu stöbern!

 

Giorgio Vasari: Das Leben des Sandro Botticelli, Filippino Lippi, Cosimo Rosselli und Alesso Baldovinetti

Wagenbach Verlag 2010, 240 S., € 14,90
(Le vite, p. es. Rusconi 2009, ca. € 20,-)
(Stand März 2021)

41_vasari_gesamtausgabeEin detailreiches und lebendiges Panorama der Renaissancekunst: Die „Vite“ aus der Feder Giorgio Vasaris, der selbst Maler, Architekt und Höfling der Medici war, liegen nun allesamt in Neuübersetzung als handliche Taschenbücher vor – eine beeindruckende Leistung. Vasari beweist darin nicht nur seinen Kenntnisreichtum, sondern auch seine Fabuliergabe.

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Lila Azam Zanganeh: Der Zauberer. Nabokov und das Glück

Aus dem Englischen von Susan Urban, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Fotos, Edition Büchergilde – Weltlese 2015, 220 S., € 22,95

(Stand März 2021)

20_zanganeh_nabokov_buchhandlung_dante_connection_danteperleSchmetterlingsjäger, Wortkünstler, Weltenerschaffer – Lila Azam Zanganeh heftet sich in „Der Zauberer“ an die Fersen Vladimir Nabokovs, legt Fährten hinein in sein Werk und in sein Leben, spürt Motiven und Mustern, Prägungen und unterirdischen Verbindungslinien nach. Kindheit in verzauberten russischen Gärten, erste Lieben, Vera Nabokov, Flucht, Exil, Berlin, Amerika. Die ersten Gedichte, die auf Russisch geschriebenen Romane, die großen englischen Werke. Das sind einige der äußeren Stationen. Doch mit ihren genau gesetzten Mosaikstücken umkreist die Autorin etwas, das letztlich nicht greifbar ist: den Kern des Schreibens und des Lesens, das Eigenleben und die eigene Zeit der Fiktion, deren Gewebe aus geschärftem Bewusstsein und Sprachspiel. Ein ungewöhnlicher Abenteuerbericht und eine echte Liebeserklärung, die teilweise in ihrer Begeisterung dick aufträgt, aber ebenso leise Töne findet, und auf jeden Fall mitreißt und überzeugt. Und Lust macht, Nabokov wieder zu lesen oder neu zu entdecken. (Judith Krieg) Leseprobe

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Silvia Bovenschen: Sarahs Gesetz

S. Fischer 2015, TB 2018, 256 S., € 10,-
(Stand April 2021)

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Seit vier Jahrzehnten leben die Malerin Sarah Schumann und die Autorin und Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen in enger Verbundenheit, lange in räumlicher Distanz, seit die dreizehn Jahre  ältere Sarah Schumann einen Neuanfang in einer neuen gemeinsamen Wohnung anregte, zusammen in Berlin. Sarah Schumann kümmert sich um den Haushalt, ihr Gesetz gilt, ist jedoch nicht wirklich unumstößlich. Versprochen haben die beiden einander nichts, ihre Liebe ist von Respekt und Zwiesprache geprägt. Bovenschen porträtiert ihre eher wortkarge Freundin in ganz unterschiedlichen Miniaturen, befragt sie aus Anlaß des Buches, schreibt von sich selbst, von Schumanns Bildern, von den ungleichen Herkunftsfamilien, der extremen Kindheit der Älteren (Krieg, Flucht), von ihren Arbeiten und vor allem, wie sie einander begegnen. Dabei wahrt sie Diskretion, ist humorvoll und verknüpft das Porträt ihrer Freundin mit eigenen Erinnerungen und Erfahrungen. So entsteht ein berührendes Ensemble, das Einblick in die Vielfalt des Austauschs der beiden Frauen und ihrer Gedankenwelten gibt, aber auch das intellektuelle Klima vieler Jahre Bundesrepublik spiegelt. (Stefanie Hetze)

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Bov Bjerg: Auerhaus

Blumenbar 2015, 235 S., € 18,00, TB 2017, € 9,99
(Stand März 2021)

Bjerg_Auerhaus_U1.inddAchtziger Jahre in der gutbürgerlichen westdeutschen Provinz, die scheußliche Fußgängerzone bildet da fast den Nabel der Welt. Freder, der Freund des 17jährigen Erzählers, landet nach einem Selbstmordversuch in der Psychiatrie. Da Freder nicht mehr bei seinen Eltern leben soll, ist die Alternative ein leerstehendes Haus auf dem Dorf,  Als er, der Erzähler und einige weitere Jugendliche einziehen, drehen sie laut  “Our House” auf, was der Bauer von nebenan als “Auerhaus” versteht. Die Jugendlichen-WG hat ihren Namen weg und ist magischer Anziehungsort für alle, die nicht stromlinienförmig in die Fußstapfen ihrer Eltern und deren vorgefertigte Lebensläufe treten wollen. Es wird sehr viel geredet, gefeiert, geklaut, ausprobiert. Aber endlich ist es dann doch. Das ist traurig,aber unausweichlich. Diese kostbaren Monate “kurz vor” all den Weichenstellungen erzählt Bov Bjerg in einer warmen rhythmischen Sprache. Das erzeugt schon eine leise Wehmut, ist aber völlig unsentimental. Respekt. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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Rachel Kushner: Flammenwerfer

Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell, Rowohlt 2015, 560 S., € 22,95, Rowohlt TB € 10,99
(Stand März 2021)

U1_978-3-498-03419-1.inddNur knapp überlebt die junge Künstlerin und Hobbyrennfahrerin Reno einen Geschwindigkeitsrekordversuch in den Großen Salzseen. Bei über 200 Sachen wirbelt es sie von ihrem Motorrad. Sie wird in diesem Buch noch schneller werden. Geschwindigkeit spielt auch im zweiten Erzählstrang des Romans eine wichtige Rolle. Dieser beginnt in Italien vor dem Ersten Weltkrieg und erzählt die Geschichte der norditalienischen Industriellenfamilie Valera, die mit Motorrädern gute Geschäfte macht. Beide Erzählstränge treffen zeitlich aufeinander. Es sind die 1970er, in denen Reno einen der Valerasöhne in New York kennen lernt. Der Kreis schließt sich ein zweites Mal, denn der Konzeptkünstler Sandro führt Reno in die wilde Kunstszene SoHos ein. Als die beiden gemeinsam nach Italien reisen, geraten sie mitten in die politischen Wirren und Kämpfe der anni di piombo – der bleiernen Jahre Italiens. Machomänner, Szene- und Künstlerattitüden, revolutionäre Phantastereien, Rachel Kushner seziert sie alle. Auch wenn die Feuilletons schon einige Loblieder auf diesen Roman gesungen haben, möchten wir uns anschließen und ihn ausdrücklich als mitreißende und kluge Ferienlektüre empfehlen. (Jana Kühn)

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Ayelet Gundar-Goshen: Löwen wecken

Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. (KEIN & ABER 2015) 432 S.,  Kein & Aber TB  € 14,-

(Stand März 2021)

Etan ist ein idealistischer Neurochirurg. Liat ist eine ambitionierte Polizistin. Die beiden sind verheiratet und haben zwei Kinder. Als Etan einen Korruptionsfall im Krankenhaus zur Anzeige bringen will, erhält er keine Rückendeckung und wird von Tel Aviv nach Beer Scheva, in die Wüste, versetzt. Während Liat sich gut einlebt, ist Etan nach dem Vorgefallenen labil. Eines Abends nutzt er seinen Jeep zum ersten Mal spontan für eine Wüstentour und überfährt dabei einen afrikanischen Immigranten. Etan erkennt, dass der Mann an seinen Verletzungen sterben wird und begeht Fahrerflucht. Doch er hat etwas am Tatort vergessen, und so steht am nächsten Tag die Frau des Toten vor ihm und erpresst ihn. Doch es geht ihr nicht um Geld, sondern um ärztliche Hilfe für illegale Einwanderer und aus dem Zwang wird nach und nach ein Doppelleben, das Etans Ehe und viele andere Gewissheiten ins Wanken bringt, nicht zuletzt, da seine Frau den Fahrerflucht-Fall zugeteilt bekommt. Die israelische Autorin Ayelet Gundar-Goshen hat ein faszinierendes, spannendes und vielschichtiges Buch mit überzeugenden Figuren geschrieben, das uns ganz nah heranführt an moralische Dilemmas und Abgründe, für die es keine einfachen Lösungen geben kann. (Judith Krieg) Leseprobe

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