Lisa McInerney: Glorreiche Ketzereien

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence, Liebeskind Verlag 2018, 448 S., € 24,-, TB Kein&Aber 2021, € 15,-

(Stand September 2022)

McInnerey_KetzereienDass Maureen Phelan ihren Sohn um Hilfe bittet, scheint erst einmal eine Selbstverständlichkeit. Bei der Tatsache, dass ihr Problem eine Leiche auf dem Küchenfußboden ist, sieht das schon anders aus. Sohn Jimmy – aka J.P. DER Gangsterboss der Stadt Cork – reagiert zwar verärgert, weiß aber dennoch sofort Rat. Was keiner von beiden auch nur ahnen kann ist, wie folgenreich sich die Entsorgungsaktion nicht nur auf ihrer beider Leben auswirken wird. Eine fatale Kettenreaktion! Geschickt entwickelt McInerney eine ganze Parade vom Leben hart erprobter Protagonisten und verknüpft diese zu einer Millieustudie des heutigen, krisengebeutelten Irlands: jugendliche Dealer, berauschte Liebespaare und Alkoholiker-Eltern, Prostituierte, Priester und Frömmler. Dabei liest sich der Debütroman keinesfalls bedrückend, denn McInerney erzählt ungemein abwechslungs- und temporeich, brutal wie einfühlsam, schwarzhumorig und bitterböse. Ein Sozialstudien-Lovestory-Krimi-Knaller, den man kaum aus der Hand legen kann! (Jana Kühn) Leseprobe

Hari Kunzru: White Tears

Aus dem Englischen von Nicolai von Schweder-Schreiner, Liebeskind 2017, 352 S., € 22,-

(Stand April 2021)

Kunzru_White_Tears_Danteperle_DanteConnectionZwei ungleiche Freunde – Seth ein stiller Soundtüftler und Carter, ein auffallender Lebemann und Musiksammler – mischen mit ihren ungewöhnlichen Retrosounds die New Yorker Musikszene auf. Doch mitten im erfolgreichen Aufstieg wird ein unbedachter Scherz zum Auslöser ihres unaufhaltsamen Falls. Alles beginnt mit einem Soundschnipsel, den der nerdige Seth zufällig in einem New Yorker Park aufnimmt. Ein kratziger Bluessound, der von Carter so lange digital bearbeitet wird, bis er wie ein Original aus den 1920ern klingt. Schnell wird sich noch der Künstlername Charlie Shaw dafür ausgedacht und schon ist ein Coup in der Sammlerszene gelandet, denn einen solchen Sänger hat es scheinbar wirklich gegeben. Wenig später wird Carter nachts fast zu Tode geprügelt. Ein gefährliches Spiel hat begonnen, das für den Leser ähnlich schwer zu durchschauen ist wie für Seth, der zunehmend den Bezug zur Realität verliert. Das ist kurzfristig verwirrend, denn Hari Kunzru wechselt nun vom konzisen Erzählton, der die New Yorker Künstler-Boheme seziert in einen fast mystischen Sound, der schwindelerregend zwischen Erzählern und Zeiten wandelt. Der fast unerträgliche Erzählsog endet furios in Jackson Mississippi und spannt damit nicht nur meisterhaft einen Bogen von Nord nach Süd, sondern verhandelt vor allem ein tragisches Kapitel der Musikgeschichte eingebettet in Rassismus und kulturelle Aneignung.  (Jana Kühn) Leseprobe

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Daniel Woodrell: Tomatenrot

Aus dem Englischen von Peter Torberg, Liebeskind 2016, 224 S., € 20,-
(Stand April 2021)

28_woodrell_tomatenrotbuchhandlung_dante_connection_danteperleFür Sammy existieren wenige Dinge, die ihn an einem Ort halten, keine Freunde, keine Familie und so zieht er umher. Ein Job ist schwer zu finden, aber umso schneller wieder verloren und gleiches gilt für ein Zuhause. Als er bei einem nächtlichen Einbruch in einer Villa im Drogenrausch einpennt – unfassbar typisch Sammy – wird er von einem jugendlichen Geschwisterpaar überrascht, das sich nachts am Reichtum  in fremden Häusern versucht und Samy einen interessanten Deal vorschlägt. Jamalee ist unnahbar und trotzig, dabei klug und von einem Gedanken getragen: Raus hier! Raus aus White Trash und Perspektivlosigkeit, rein in ein anderes, ein besseres Leben. Und klappen soll das mithilfe der auffälligen Schönheit ihres jüngeren Bruders Jason, dem Männer wie Frauen zu Füßen liegen. Auf irgendeinem Weg muss daraus doch Kapital zu schlagen sein. Sich ausgerechnet Sammy als Partner ins Boot zu holen, ist folgenschwer – und man ahnt es schon – funktioniert auch nicht, obwohl Sammy doch schon immer so gern ein Held sein wollte. Daniel Woodrell hat einen erbarmungslos ungerechten, tiefschwarzen Noir geschrieben, der anrührt, oft zum Lachen bringt und pure Lesefreude ist! (Jana Kühn) Leseprobe

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Daniel Woodrell: In Almas Augen

Aus dem Englischen von Peter Torberg, Liebeskind 2014, 192 S., € 16,90

(Stand März 2021)

40-woodrell_almasaugen“Wenn ich alles auspacke, was ich über die Explosion in der Arbor Dance Hall weiß, dann gibt es Lynchmorde von hier bis St.Louis.”, sagt Sheriff Adderly. Und nicht nur er schweigt lieber zur Tragödie des Sommers 1929, bei der 42 Menschen zu Tode kommen, viele schwer verletzt werden und ein ganzer Ort in stumme Trauer fällt. Wie zäher Nebel hängt das Schweigen über der kleinen Stadt. Nur Alma hört nicht auf unbequeme Fragen zu stellen. Sie hat ihre Schwester in den Flammen verloren und sucht jahrzehntelang nach den Schuldigen –  macht sich unbeliebt, verliert ihre Arbeit, ihre Söhne, wird eingewiesen und ausgegrenzt. Ihrem Enkel wird sie schließlich berichten, was sie weiß. Stück für Stück nur, aus vielen Perspektiven und mit jeder Seite fesselnder eröffnet Woodrell den Blick auf die wahren Geschehnisse. Dabei erzählt er in vielen kleinen, fast skizzenhaften Episoden ein großes amerikanisches Kleinstadtpanorama im Wandel des letzten Jahrhunderts. (Jana Kühn). Leseprobe

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Donald Ray Pollock: Knockemstiff

Aus dem Englischen von Peter Torberg, Verlagsbuchhandlung Liebeskind 2013, 256 S-, € 18,90, tb Heyne 2015, € 9,99

(Stand März 2021)

pollock-knockemstiff_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergKnockemstiff ist ein trostloses Kaff im US-Bundesstaat Ohio. Was für ein rauher Wind dort weht, versteht man bereits mit der ersten Erzählung, in der ein Vater seinem Sohn brutal vermittelt, wie wichtig es ist, mit aller Gewalt seinen Mann zu stehen. Mit den nachfolgenden Erzählungen entwickelt sich ein deutlicheres Bild der Kleinstadt und es schließt sich ein Kreis aus Drogen, Krankheiten, Armut, Missbrauch und immer wieder Gewalt. In aller Unerträglichkeit der Normalität, der alltäglichen Geschehnisse – das Schlimmste an Knockemstiff ist die Perspektivlosigkeit. Kein Licht am Ende des Tunnels, aus Knockemstiff kommt keiner raus – auch nicht die, die es versuchen. Und warum sollte man das dann gelesen haben? Weil Pollocks knochentrockene Sprache einen packt und nicht mehr loslässt. Knockemstiff legt man nicht zur Seite … (Jana Kühn)

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Christopher Isherwood: Kondor und Kühe

Ein südamerikanisches Reisetagebuch. Aus dem Englischen von Matthias Müller, mit Fotografien von William Caskey, Liebeskind 2013, 361 S., € 22,-

(Stand März 2021)

28-isherwood_kondor1947 reiste  der britisch-amerikanische Schriftsteller Christopher Isherwood zusammen mit dem Fotografen William Caskey per Schiff von New York nach Venezuela, um von dort aus eine sechsmonatige Fahrt  durch Lateinamerika bis nach Buenos  Aires  zu unternehmen. Sie entdecken einen brodelnden Erdteil extremer Gegensätze, treffen auf unterschiedlichste Menschen und Lebenssituationen, auf gewaltige Natureindrücke und krasse Wetterphänomene. Offen, sensibel, aber auch kritisch registriert der überaus belesene Isherwood dies alles und nimmt seine Leser mit auf eine abenteuerliche Reise durch einen außergewöhnlichen Kontinent. Mit der erstmals deutschen Veröffentlichung (wunderbar übersetzt von Matthias Müller) ist dem Liebeskind Verlag  eine kleine Sensation gelungen. (Stefanie Hetze)

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Alain Mabanckou: Zerbrochenes Glas

Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller, Liebeskind 2013, 224 S., € 18,90

(Stand März 2021)

45-mabanckou_glasDer aus dem Kongo stammende und in Frankreich lebende Autor versetzt seinen Roman in eine florierende Bar in Brazzaville, in der die Gäste seinen Protagonisten Zerbrochenes Glas mit ihren Lebensgeschichten bestürmen, die er, vom Wirt beauftragt, nun endlich aufschreiben soll. Und die Gäste erzählen ihm und wie! Als säße man direkt daneben, werden einem die oft tragikomischen Episoden atemlos und mit viel schwarzem Humor um die Ohren geknallt. Man lauscht bestürtzt, belustigt und trotz vielen Unglücks bestens unterhalten. So greift Mabanckou die orale Erzähltradition Afrikas auf und gibt ihr in rasantem Tempo gänzlich neue Facetten. (Jana Kühn)

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Frank Jacobs: Seltsame Karten

Ein Atlas der Kuriositäten, Liebeskind 2012, 125
S.

(Stand März 2021)

jacobs-seltsame-karten_danteperle_dante_connection-buchhandlung-berlin-kreuzbergKalifornien ist eine Insel. Wie bitte? Jawohl, zumindest ist dies einer der skurrilen, kartographischen Irrtümer der Geschichte, die in der großformatigen Schönst-Ausgabe “Seltsame Karten” versammelt worden sind. Darüberhinaus schüttelt man den Kopf über wüste Propaganda, verklärt Literarisches und immer wieder wunderbar kunstvoll Gezeichnetes einmal rund um den Globus. Dazu gesellen sich Frank Jacobs kenntnisreiche Erläuterungen, die aufschlussreich vor Augen führen, wie viel mehr da doch gezeigt und bezeugt wird, als auf den ersten Blick zu erkennen ist.

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