Aus dem Englischen von Conny Lösch, Edition Nautilus 2020, 320 S., € 24,- €
(Stand März 2021)
Ähnlich dem Tor zur Unterwelt ist auch der Eingang in den Torre de Torres von einem Kerberus bewacht. Doch mehrere Hundert Damnificados lassen sich davon nicht schrecken. Sie haben nichts zu verlieren, denn vor ihnen liegt die Möglichkeit eines Zuhauses. Ihr Anführer Nacho Morales bewegt sich seit seiner Kindheit mühsam auf zwei Krücken, doch sein Geist ist rege, seine Netzwerke weit verzweigt und so findet er stets eine Lösung. Der leerstehende Turm wird bezogen, Wohnungen improvisiert, Strom- und Wasserleitungen angezapft. Bald gibt es auf den über fünfzig Etagen eine Bäckerei, einen Friseur, sogar Schulen. Trotz aller Not leitet Nacho seine Damnificados zu einem auf Absprachen beruhenden Zusammenleben an. Nichts anderes als eine Utopie – sicher ist sie nicht. Der Turm der Türme ist eine Arche, doch er erinnert auch an Babel, wenn seine Bewohner unter anderem Arabisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch sprechen. Und es gibt sogar ein reales Vorbild für den Turm: der Torre de David in Caracas. Auch dieser Bau wurde über Jahre von Obdachlosen besetzt – doch für Wilson ist dies nur der Ausgangspunkt. Mit viel magischem Realismus fühlt man sich beim Lesen in die Elendsviertel, Slums, Favelas oder wie auch immer sie rund um die Welt genannt werden versetzt. Armut ist global und zeichnet sich egal wo auch immer durch ähnliche Szenarien aus. Wilsons eigene Biographie liest sich wie eine Weltreise und erklärt vielleicht seine so waghalsigen wie stimmigen polyglotten Anleihen bei den Mythen dieser Welt, die in einem Roman zusammengeführt werden, wie Sie ihn noch nicht gelesen haben werden. (Jana Kühn) Leseprobe

Berlin, Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Es sind die Jahre der Weltwirtschaftskrise, der Massenarbeitslosigkeit, der Heere von Bettlern, Kriegsversehrten und Verzweifelten in den Straßen der schillernden, lärmenden, rasanten Großstadt. Einigen von ihnen folgt der Roman über vierundzwanzig Stunden, um sie am Ende in einem explosiven Finale aufeinandertreffen zu lassen. Es sind Menschen, die ihre Illusionen, ihre Träume oder sogar ihren Verstand verloren haben, Frauen, die sich aus Not prostituieren, ein Arbeitsloser, der sich mit seinem Schicksal noch nicht abfinden will, ein Kriegsblinder voller Wut.
Am Totenbett ihrer Mutter erinnert sich Rosa an deren Leben. Vincenzina, aus einer armen, kinderreichen Familie auf dem Land, verliebt sich in den großbürgerlichen Rafele. Gegen den Willen seiner Familie heiraten sie und ziehen in das ärmliche Viertel am Hügel von Capodimonte in Neapel. Hier wächst Rosa auf, vertraut mit der Armut, die bei vielen zu innerer Härte führt. Als Rafele an Krebs erkrankt, verschuldet sich Vincenzina zunächst, um die Medikamente zu bezahlen, und wird nach seinem Tod selbst zur Geldverleiherin. Rosa begleitet sie in die ärmlichen Behausungen ihrer Schuldner, da sie die Schule besucht und rechnen kann. Eindrucksvoll sind die Beschreibungen des harten Lebens im Viertel und seiner Bewohner. Selten wurde Neapel, diese Stadt zwischen Paradies und Hölle, so eindrucksvoll und frei von jedem Klischee beschrieben. Annette Kopetzki hat die höchst poetische Prosa Wanda Marascos mit viel Sprachgefühl übertragen. Familiengeschichte, individuelle Schicksale und das Portrait einer Stadt verweben sich hier zu einer faszinierenden Lektüre. (Syme Sigmund) 
Es ist immer eine Riesenfreude, wenn vielfältige Kinderbücher (zum Beispiel von
Die Geschwister Holly, Jonathan und Davy haben es nicht leicht. Gerade 18-jährig hat Jonathan nach dem Tod der Mutter das Sorgerecht für seine Geschwister übernommen. Die kleine Familie hält sich in aller Liebe wacker – eines fehlt allerdings oft: Geld. Dank des Erbes einer Tante könnte sich das ändern, aber die eigensinnige Dame hat ihre Wertsachen bestens versteckt. So startet eine spannende Schatzsuche, die temporeich und humorvoll den Blickwinkel der dreizehnjährigen Holly einfängt. Die Geschwister schaffen es dank vieler hilfsbereiter Menschen bis auf die schottischen Orkney-Inseln, wo an irgendeinem Strand das Erbe vergraben sein könnte … Einfühlsam und detailreich erzählt Sally Nicholls, was Armut für ein Kinderleben bedeutet, ohne der Geschichte jedoch bleiernes Gewicht zu verpassen. Ganz im Gegenteil, sprachlich leichtfüßig liest sich die Familienschatzsuche auch als modernes Abenteuer und hoffnungsvolles Märchen! (Jana Kühn)
Jamie-Lee wohnt in der 11. Etage eines tristen Hochhauses, das mitten in einem sogenannten Problemviertel steht. Ihre Mutter ist Alkoholikerin, ihr großer Bruder geht nur selten zur Schule und gibt das wenige Geld schon mal lieber für Zigaretten aus – aber dann eben Chips zum Frühstück. Jamie-Lee ist lebensklug und sehr pragmatisch. Ausgerechnet als ihre Mutter ins Krankenhaus muss, die geliebte Oma nach Polen fährt und deshalb das Jugendamt schon sehr nervös klopfen kommt, trifft sie Fee. Die Millionärstochter ist auf der Flucht vor ihrer gemeinen Stiefmutter. Kurzerhand nimmt Jamie-Lee sie mit nach Hause. Und ab jetzt wird es richtig wild, denn nur wenig später lernt das Mädchen einen Obdachlosen und seinen alternden Jagdleoparden Kröger kennen – und bringt auch diese bei sich zuhause unter. Der Leopard ist irgendwie geklaut und die Polizei sucht schon in der ganzen Stadt nach Fee. Und nun? Der soziale Spagat zwischen den beiden Mädchen und ihren Familienverhältnissen wirkt anfangs etwas gewagt, doch gelingt der Autorin in großer Fabulierlust ein meisterlicher Spannungsbogen mit ungewöhnlichen und überzeugenden Figuren, sehr viel Witz und jeder Menge Sozialkolorit. (Jana Kühn)