Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Walitzek. Schöffling 2015, 232 S., € 21,95, dtv TB € 10,90
(Stand März 2021)
Jamaica zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Antoinette, Tochter eines Plantagenbesitzers und ehemaligen Sklavenhalters, lebt nach dem Tod des Vaters mit ihrer Mutter allein und abgeschieden auf dem Gut. Ein paar Angestellte sind geblieben, doch der vormalige Reichtum und das Ansehen sind Vergangenheit. Die beiden werden gemieden, angefeindet. Die weißen Inselbewohner belächeln die Armut, die Schwarzen nennen sie “weiße Kakerlaken”. Hässliche Gerüchte und Halbwahrheiten sind im steten Umlauf. Als junge Frau wird Antoinette schließlich in einer Art Hochzeitskauf mit dem jungen Engländer Mr. Rochester verheiratet. Das frischvermählte Paar zieht auf ein paradiesisches Anwesen am Meer, wo jedoch binnen kürzester Zeit eine Ehehölle entsteht. Missverständnisse, Ängste, Voodoo und Alkohol treiben das Paar nicht nur auseinander, sondern in rasend blinden Hass. Rhys erzählt aus beiden Perspektiven von zwei Menschen, die kaum verschiedener sein könnten und einander schlicht nicht verstehen. Wer Charlotte Brontës “Jane Eyre” gelesen hat, wird die Protagonisten wieder erkennen, denn Jane Rhys gibt der bei Brontë überaus unsymphatisch, lediglich als wahnsinnig beschriebenen jamaikanischen Ehefrau Rochesters eine Stimme, endlich auch ihre Version der Geschichte zu erzählen. Herzzerreißend – ein wunderbarer moderner Klassiker in neuer Übersetzung! (Jana Kühn)

Kolumbien 2009, der Jura-Professor Antonio stolpert über eine Zeitungs-Notiz, die vom verwaisten Zoo des ehemaligen Drogenbarons Pablo Escobar erzählt. Die Lektüre ruft einen Sog der Erinnerung wach, an seine Billard-Bekanntschaft mit Ricardo Laverde, an einen gemeinsamen Spaziergang in Bogotá, auf dem Laverde ermordet und der Erzähler selbst schwer verwundet wird. Erinnerung an seine Suche nach den Puzzlestücken der Vergangenheit, die ihn unter anderem zu abgestürzten Flugzeugen und zurück in die von Gewalt geprägten 80er und 90er Jahren führt, ihn aber auch auf eine Liebesgeschichte zwischen einer Amerikanerin und einem Kolumbianer stoßen lässt und auf Laverdes Tochter Maya. Nach und nach erschließen sich die Zusammenhänge, zugleich erkennt Antonio, wie sehr das Leben von Dingen bestimmt wird, die wir selbst nicht in der Hand haben. Ein sehr intensives Buch, spannend und nachdenklich zugleich, das eine bestimmte Zeit und Gesellschaft mit den persönlichsten Fragen verknüpft, mit einer starken Erzählstimme und Bildern, die immer wieder überraschen und uns einen neuen Blick auf die Dinge werfen lassen, die uns jeden Tag umgeben. (Judith Krieg)
Der frühere kroatische Armeefahrer Dzelal Pljevljak ist vom Schicksal gebeutelt. Seine angebetete Tochter wurde Opfer eines Verbrechens und seine Frau beging Selbstmord. Trost findet er im islamischen Glauben und bei einer Familie, die er auf seiner allwöchentlichen Fahrt von Split nach Livno zum Freitagsgebet kennen lernt. Ein tragischer Verkehrsunfall – zentrales Ereignis dieser in Rückblenden und aus kunstvoll wechselnden Erzählperspektiven erzählten Geschichte – gibt seinem Leben eine radikale Wendung. Jergović erweist sich hier einmal mehr als großartiger Erzähler mit überbordender Phantasie voll bitterer Komik, der die politisch-gesellschaftliche Geschichte des ehemaligen Jugoslawiens und ein individuelles Schicksal auf überzeugende Weise miteinander zu verknüpfen weiss. (Syme Sigmund)