Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow, mit einem Nachwort von Sasha Salzmann. dtv 2020, 208 S., € 20,-, TB neu März 2024, € 12,-
(Stand März 2024)
„Giovannis Zimmer“ ist das vierte Buch von James Baldwins das in einer Neuübersetzung erscheint. Und wieder ein Buch wie ein Schlag in die Seele, der tief in die Unzulänglichkeiten und Begrenzungen menschlichen Daseins blicken lässt. David, ein junger homosexueller weißer Amerikaner auf Europareise in Paris, beginnt eine heftige Liebesaffäre mit dem jungen, lebensgierigen Giovanni. In kurzen Wochen genießen sie ihre Liebe, ihre Körper und nähern sich auch intellektuell an. Vor den Anfeindungen ihrer Umwelt schützen sie sich, soweit dies in einer offen homophoben Gesellschaft möglich ist. Als Davids Verlobte Hella aus Spanien zurückkehrt, wendet sich dieser von Giovanni ab und stürzt ihn in tiefe Verzweiflung.
Baldwin beschreibt die berührende Liebesgeschichte zwischen den beiden jungen Männern schnörkellos und ohne rührseligen Kitsch. Fast zwangsläufig führt Davids Trennung von Giovanni direkt in eine Katastrophe. Wie in seinen anderen Büchern greift Baldwin wieder ein Thema auf, das den Blick auf Unterdrückung und Gewalt lenkt. Die Geschichte weist aber weit über die Ursachen der gesellschaftlichen Gewalt hinaus. Sie legt offen, welche Verheerungen die Homophobie in den Opfern selbst anrichtet und diese zu Tätern werden lässt. David kann zu seiner wahren Natur nicht stehen, zu groß ist die Angst vor der gesellschaftlichen Ächtung. Damit stürzt er alle Menschen, die ihm etwas bedeuten, in Verzweiflung. Stehst du nicht zu dir, deiner Natur, deiner Liebe, stehen am Ende Unglück und Vernichtung. Ein überzeugendes Plädoyer dafür, sich zu erkennen und zu akzeptieren, egal wie feindlich deine Umwelt ist. Ein Meisterwerk – freuen wir uns auf weitere Neuauflagen! (Torsten Sigmund) Leseprobe

Was für ein Buch! Die 19jährige Tish und der drei Jahre ältere Fonny sind leidenschaftlich ineinander verliebt. Beide kommen aus Harlem, kennen einander seit ihrer Kindheit, haben Großes vor. Tish erwartet ein Baby und Fonny möchte Künstler werden. Als sie tatsächlich einen Speicher zum Leben und Arbeiten mieten können und ihr Glück so nahe scheint, kommt es zur Katastrophe. Fonny wird zu Unrecht als Vergewaltiger inhaftiert, für ihn beginnt das Inferno, für Tish mit dem Baby im Bauch fühlt es sich wie „die Sahara“ an. Täglich besucht sie ihn im Knast, versucht ihn aufzubauen und ihn gleichzeitig neben ihrer Arbeit in einem Kaufhaus aus dem Gefängnis herauszuholen. Doch das rassistische System schlägt gnadenlos zu. Dabei kämpfen ihre Familie und Fonnys Vater mit all ihren – knappen – Mitteln für den Unschuldigen.
Sonntags treffen sich in Moses Aloettas schäbigem kleinen Zimmer „die Taugenichtse“, er, seine Freunde und Zufallsbekannten und reden über ihre Geldsorgen, Wohnungsprobleme und vor allem über den Rassismus, den sie, die schwarzen Einwanderer aus der Karibik tagtäglich im kalten abweisenden London erfahren. Unterschiedlich sind ihre Strategien, das zu überleben. Manche sind Meister, auf Pump zu leben, andere Kleinkriminelle, verzweifelte Taubenfänger und -esser, andere wieder versuchen sich als unwiderstehliche Verführer junger Engländerinnen oder nehmen die Widrigkeiten mit Witz und Ironie.