Gratitude 2022, 44 S., € 17,-, ab 5
Es passiert der 7-jährigen Akoma dauernd, dass ihr andere Menschen ins Haar fassen. Die Erwachsenen meinen, weil sie ihre Haare so schön finden, hätten sie auch das Recht dazu. Mit diesem übergriffigen Verhalten räumt dieses anschauliche Bilderbuch gründlich auf. Es erzählt, wie Akoma lernt, sich zu wehren und sich dabei von ihrer Familie, ihrer Lehrerin und ihren Freund:innen Unterstützung zu holen. Gleichzeitig feiert es die Schönheit und Pracht Schwarzer Haare und die Vielgestalt und Bedeutung Schwarzer Frisuren. Es erzählt im Anhang von den sehr langen Traditionen und Bedeutungen afrikanischer Frisuren und beschreibt verschiedenste Afro-Styles. Das ist besonders empowernd für Schwarze Kinder. Und alle anderen wissen nach der Lektüre, dass es ganz und gar nicht ok ist, einem anderen Menschen ungefragt in die Haare zu greifen.

In Mannis familiärem Umfeld meinen alle genau zu wissen, was Jungs machen können und was nicht. Manni darf keinen Rock haben, soll mit Dinos und nicht mit Puppen sowie Fußball und nicht Prinzessin spielen. Doch dann begegnet er Kindern, die all das einfach tun, was angeblich „nur für Mädchen“ sei – oder „nur für Jungs“ – und dabei unglaublich viel Spaß haben. Manni beginnt, auch einfach zu machen, wozu er Lust hat und auch seine Familie versteht, dass es ganz egal ist, was ein Kind anhat und wie es spielt. Das Buch erklärt auf einfache, schon für jüngere Kinder nachvollziehbare Weise, dass Stereotype engstirnig und schlicht langweilig sind und bestärkt die Kinder darin, einfach so zu sein, wie sie sich fühlen.
Lous Papa merkt schnell, dass etwas mit ihr los ist. Sie will nicht sprechen, weder beim Essen noch beim Spielen. Einfühlsam lässt ihr Vater nicht locker. Er hat gesehen, dass Lou sich im Spiegel nicht anschauen wollte und ihren Bauch weggedreht hat. Ähnliches kennt er auch aus seiner Kindheit und verspricht ihr einen Zaubertrick. Endlich rückt sie mit der Sprache heraus, dass andere Kinder sie als „dick“ auslachen. Mit Hilfe des „Zaubertricks“, mit ganz vielen Wörtern ihren Bauch zu beschreiben, wobei die Wörter immer kreativer und lustiger werden, und des gemeinsamen sich im Spiegelanschauens kann das Mädchen ihren Körper und ihr Selbst viel differenzierter wahrnehmen. Auch ihre Mama beteiligt sich und thematisiert zum Beispiel die Schwangerschaftsstreifen auf ihrem Buch und wie sich Körper im Laufe des Lebens verändern. Zwei weitere Pluspunkte dieses außergewöhnlichen Bilderbuchs zum Thema der selbstbewussten Körperwahrnehmung: die überaus feinen liebevollen Illustrationen, die Lous Gefühle eindrücklich spiegeln, und die Selbstverständlichkeit ihrer mixed family. Im Anhang gibt es zusätzliche Infos zur Therapie von Essstörungen.
Ein Kinderheim in den Bergen, eine „Schäfin“, die es „mag, wenn es ungerecht ist“ und viele Kinder. Die sind in zwei Gruppen aufgeteilt, die Ringelblumengruppe, die leckeres Essen bekommt und spielen darf, und die Primeln, die kochen, putzen und die anderen bedienen müssen. Doch ein Kind aus den Ringelblumen spürt, dass hier etwas nicht stimmt, und überzeugt alle, nachts mit den Primeln die Kleidung zu tauschen. Das bringt das ganz schön viel Unruhe mit sich, und eines Tages wagen die Kinder es schließlich, auch die von der Schäfin gezogenen weiße Linie um das Heim herum zu übertreten, den ersten Schritt zu tun in eine Welt, in der sie frei über sich selbst bestimmen können.
Einfach lesen lernen, heißt die neue Reihe bei Carlsen, die thematisch andere Wege bei den Büchern für Leseeinsteiger:innen geht. Die beiden Geschwister müssen sich in ein gefährliches Abenteuer mit offenem Ausgang stürzen. Sie sollen mit ihren Eltern fliehen und dürfen nur ihr Allerliebstes mitnehmen. Das ist die erste Schwierigkeit, die sie zu bewältigen haben. Ganz nah am Erleben der beiden syrischen Kinder werden die Anfänge ihrer Flucht eindrücklich geschildert. Bedrohliches wie zerstörerische Panzer und die Trauer um den Verlust der vertrauten Heimat stehen neben der Geborgenheit in der Familie und dem Zusammenhalten der zwei Geschwister. Dieses breite Spektrum zwischen äußerer Gewalt und dem innerlichen Gefühlsleben der Kinder bildet der syrische Illustrator Nour Altouba in seinen großflächigen Illustrationen und comicartigen Vignetten glänzend ab. Ergänzt wird das berührende Buch mit einem kleinen Wörterbuch in fünf Sprachen.
Im dritten Kita-Wimmelbuch macht die nun schon bestens bekannte Pinguin-Gruppe mit ihren Erzieher*innen und einigen Eltern einen Ausflug auf einen Bauernhof. Hier können die Kinder nicht nur Tiere auf Koppeln und in Ställen beobachten, sondern auch richtig mit anfassen beim Gemüse ernten, beim Stall ausmisten und beim gemeinsamen Mittagessen kochen. Aber natürlich bleibt auch Zeit, um auf dem Heuboden zu toben oder beim Traktor reparieren zuzuschauen. Ein konventioneller Bauernhof ist das entsprechend nicht – die Info sollte man Kindern nicht vorenthalten – aber es gibt durchaus reale Vorbilder, wie sie schreibt.
Das großformatige Pappbilderbuch zeigt den Tagesablauf von verschiedenen jungen Kindern – vom Aufstehen über Frühstück, Kita, spazieren gehen, Spielplatz bis zur Abendroutine. Farbenfrohe und klar gestaltete Illustrationen sowie Fotografien zeigen Elemente vom Familienalltag, in dem viele Kinder sich gut wieder erkennen können.
Die Protagonistin dieses Bilderbuchs, das auf Das großartigste Ding der Welt folgt, baut mit ihrem Assistenten, einem Hund, ohne Unterlass jede Menge nützliche, verrückte, sinnvolle, überflüssige Dinge. Die Ideen für ihre Konstruktionen und Erfindungen purzeln nur so aus ihrem Kopf heraus, bis sie eines Tages erkennen muss, dass sie keine Idee mehr hat. Das empfindet sie als Katastrophe. Alles probiert sie: sie und ihr Assistent gehen hinaus, schauen sich Bücher an, probieren neue Materialien aus – alles Fehlanzeige, nichts fällt ihr ein. Wie das erfolgsverwöhnte Mädchen mit dieser Krisensituation umzugehen lernt, kann Kinder und gerade Mädchen ermuntern, bei Schwierigkeiten und Widerständen dran zu bleiben und nicht so schnell die Geduld zu verlieren. Vor allem, wenn die verwirklichte Idee andere erfreut!
Im nun schon vierten Bilderbuch dieser Macher*innen geht es um einen Nachhauseweg oder viel mehr generell um das Thema Zeit und das so unterschiedliche Tempo von Kindern und Erwachsenen. Ein Spaziergang mit Kindern ist oft eine Entdeckung der Welt. Alles ist spannend: Stöcke, Blätter, Steine – alles kann ewig bestaunt werden. So macht das auch Luca. Viele Kinder werden sich in dem Kind wiedererkennen und Erwachsene bekommen vor Augen geführt, wie schön es sein kann, sich mit seinem Kind treiben zu lassen – auch wenn die Zeit gefühlt nicht da ist. Ein kurzer Sachtext erklärt zudem am Buchende, warum es so wichtig ist, Kindern ihre Zeit zu lassen.