Mit einem hinreißenden Blick schaut diese kleine Spitzmaus direkt vom Cover ins Herz ihrer Betrachter*innen. Die japanische Autorin und Illustratorin Akiko Miyakoshi erzählt uns in drei kurzen Geschichten aus ihrem Leben in einer großen Stadt mitten in einem menschlichen Umfeld. Hier gibt es Vintage ohne jeden Schick, dafür mit berückendem Charme: Telefonapparate mit Wählscheiben, Kofferradios, Röhrenfernsehgeräte und Ohrensessel, die Miyakoshi in warmem Licht geschickt in Szene setzt. Die Spitzmaus arbeitet, träumt und verbringt Zeit mit ihren besten Freunden. Alle Tagesabläufe, jede Handlung findet zu festen Zeiten statt. Es scheint kaum Besonderes zu geben, und doch strahlt sie eine in sich ruhende Zufriedenheit aus. Und ebenso unaufgeregt wirken die zahlreichen, mal farbigen, mal schwarz-weißen Illustrationen. Kinder, die es lieben, sich tagtäglich in vertrauten Bahnen und mit kleinen Ritualen durch die Welt zu bewegen, werden sich in diesem Buch bestens zuhause fühlen. In seiner einfachen Sprache, den kurzen Sätzen und dank der vielen Bilder funktionieren die Geschichten zum Vorlesen für Kinder im Kita-Alter, im Grundschulalter wiederum zum ersten Selbstlesen. Enjoy the simple things in life! Diese Spitzmaus zeigt, dass es weder Mut noch Ausnahmetalente zum Glück braucht. (Jana Kühn)
Für gemütlich lange Wintertage der Jüngsten …
Jolan C. Bertrand & Chevallier Gambett (Illustr.): Die Winterschwestern, Thienemann, 224 Seiten, 18 Euro, ab 9
Dunkel und kalt waren die Winter im hohen Norden schon immer. Doch seit die große Winterschwester nach ihrer geliebten kleinen Winterschwester sucht, schickt sie in ihrer Verzweiflung erbarmungslos eisige Schneeschauer und klirrenden Frost in die Welt. Der kleine Alfred kennt es gar nicht mehr anders, ein ausgesprochen fröhliches Kind ist er dennoch. Als sein Onkel sich auf den Weg macht, die Winterschwestern wieder zu vereinen, erhält Alfred die Prophezeihung seinen Onkel auf dem gefährlichen Weg beschützen zu müssen. Und so stapft der Junge seinem Onkel mutig durch die tief verschneiten Wälder hinterher … eine Seherin, eine magische Füchsin und diebische Trolle begleiten ihn – doch wem kann er trauen? Skandinavische Mythologie in Eis & Schnee, modern und atemberaubend spannend erzählt, kunstvoll grafisch gestaltet – was für ein schaurig-schöner Winterschmöker!(jk)
Mirjam Oldenhave: Jakob und der Berg der vergessenen Dinge
Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann, Coppenrath 2023, 208 S., € 16,-, ab 6
Jakob und sein Vater Ed haben einen unkonventionellen Lebensstil. Sie wohnen in einem kleinen Haus auf Rädern, das sie am liebsten da aufstellen, wo es ihnen gut gefällt und Platz dafür ist. Leider passt das vielen Leuten nicht, weshalb sie oft umziehen müssen. Zuletzt parken sie ihr mobiles Häuschen neben dem großen Plunderberg. So manche*r würde ihn Müllberg nennen, aber für den fantasievollen Jakob ist es das Paradies! Der geschickte Junge findet hier jede Menge zwar ramponierte, auf jeden Fall aber noch gut brauchbare Dinge: ein Kanu, einen Kinderwagen, eine Kleiderpuppe. Vielleicht lässt sich der Motor einer Waschmaschine ausbauen? Doch dann führen viele verflixte Zufälle, vor allem aber die Vorurteile der Erwachsenen dazu, dass Jakobs Vater ins Gefängnis muss. Mirjam Oldenhave stellt ihrem Protagonisten eine nicht weniger smarte Freundin und zahlreiche, nicht nur charakterstarke Helfer zur Seite. Mit viel erzählerischem Geschick hat sie eine aufregende wie berührende, feinsinnige wie urkomische Geschichte erdacht, die in aller Beiläufigkeit große Themen wie Voreingenommenheiten oder das gängige Konsumverhalten in Frage stellt. Wie sich die cleveren Kids mutig durch die Welt der Erwachsenen tricksen ist ein spannender Vorlesespaß für die ganze Familie. (Jana Kühn)
Arne Rautenberg, Wolf Erlbruch (Illustr.): Mut ist was Gutes
Peter Hammer Verlag 2023, 48 S., € 14,-
Wolf Erlbruchs Bilder zum Thema Mut sind echte Klassiker und vielen bekannt. Neu sind die dazu verfassten Gedichte von Arne Rautenberg, und die sind – großartig! Sprachgewandt mit Witz und Rhythmusgefühl geht es durch die verschiedenen Weisen, Mut zu haben, ob beim Seiltanzen, beim Küssen oder dabei, ein Geheimnis zu Bewahren. Das macht sowohl Erwachsenen als auch Kindern großen Spaß, ob selbst- oder vorgelesen, das rast, schmettert und fetzt ganz wunderbar. (Syme Sigmund) Leseprobe
Dita Zipfel, Finn-Ole Heinrich, Tine Schulz (Illustr.): Rüben und Raketen
Huckepack 2023, 32 S., € 17,-, ab 4
Im nun schon dritten Buch der Rübengäng – also Familie Rübe mit Papa Muti, Mama Basia Rübe, den Kindern Rosa, Alva, Bosco und diversen Haustieren – wird der letzte Tag des Jahres gefeiert. Und natürlich gibt es wie immer eine feste Reihenfolge der Dinge, die heute gemacht werden müssen. Erstmal Nicht-Aufstehen, später kommt Ballalala und schließlich ziehen alle Lieder grölend zur Königin der Holundersträucher, wo gemeinsam das neue Jahr begrüßt wird. Einmal mehr ein fantasie- und liebevolles Sprachfeuerwerk, begleitet von urkomisch trubeligen Bildern – ein Vorlesespaß für die ganze Familie! Und vielleicht finden sich sogar Anregungen für neue, ökelige und ganz herrliche Neujahrsrituale … (Jana Kühn)
Timothée de Fombelle & Thomas Campi (Illustration): Hinter dem Schnee
Aus dem Französischen von Tobias Scheffel & Sabine Grebing, Gerstenberg 2022, 56 S., € 16,-, ab 10 und zum Vorlesen für die ganze Familie
Genervt fährt der einsame LKW-Fahrer Freddy mit einer kleinen Ladung italienischen Speiseeises quer durch Europa gen England. Ein Schneesturm droht, es ist Weihnachten, viel lieber wäre er zu Hause, auch wenn er da wie in seinem Laster ganz alleine ist. Gleichzeitig macht sich in Afrika eine Schwalbe, die vor langem von einem Jungen nach einem Unfall versorgt worden war, auf die weite Suche nach ihm. Und da ist noch eine dritte Figur in dieser hochaufgeladenen poetischen und politischen Geschichte, die ein ungewöhnliches Ende nimmt und menschlich sehr berührt. Nicht zuletzt durch die farbigen hyperrealistischen Bilder, die die Einsamkeit und das Elend, wie aber auch Kontakt und Austausch so intensiv nachempfinden lassen. Nicht nur für Weihnachten. (Stefanie Hetze) Blick ins Buch
Roald Dahl: Matilda
Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel, illustriert von Quentin Blake, Penguin 2022, 240 S., als Hörbuch gelesen von Heike Makatsch, 4 CDs, Laufzeit: 4h 43min, jeweils € 18,-, ab 8

Matilda bringt sich mit nur vier Jahren selbst das Lesen bei, mit fünf zählt Charles Dickens zu ihren Lieblingsautoren und selbst komplizierte Multiplikationen löst sie schnell wie ein Taschenrechner – natürlich im Kopf. Sie ist nicht weniger als hochbegabt. Schade nur, dass ausgerechnet ihre dumpfbackigen Eltern davon nichts wissen, sie glotzen lieber fern. Mit der Einschulung werden Matildas Talente endlich entdeckt, doch längst nicht von allen wertgeschätzt. Besonders Direktorin Knüppelkuh sind sie ein Dorn im Auge – aber die hasst sowieso alle Kinder und die ganze Schule zittert vor ihren Wutattacken. Zeit für Matilda, für Gerechtigkeit zu sorgen … und Roald Dahl geht in die Vollen! Er spielt aberwitzig mit Sprache, treibt seine Figuren auf die Spitze und darüber hinaus und balanciert mit jeder Menge schwarzem Humor geschickt zwischen Grusel und bester Unterhaltung. Sehr zu empfehlen ist übrigens ebenso die Hörbuch-Ausgabe gelesen von Heike Makatsch, die so unfassbar facettenreich wirklich einer jeden Figur Leben einhaucht – ein herrlich überdrehter Hörgenuss für die ganze Familie. So wie das Buch! In diesem Jahr sind jede Menge weitere Neuübersetzungen von Roald Dahl erschienen – moderne Klassiker, die es (wieder) zu entdecken lohnt! (Jana Kühn) Blick ins Buch
Annet Schaap: Mädchen
Aus dem Niederländischen von Eva Schweikart, Thienemann 2022, 256 S., € 15,-, ab 10
Mädchen, ihre Wünsche und Träume, stehen im Mittelpunkt dieser sieben realistischen bis fantastischen Erzählungen. Ihr aller Leben ist nicht gerade einfach, Vater, Mutter bieten kaum Hilfe und Schutz. Eigentlich möchten die meisten gerne von einem ominös-abstrakten Prinzen aus ihren Lebensumständen erlöst werden, doch spüren und wissen sie genau, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen müssen. Und dann passieren neben all den Widrigkeiten und Gefahren unverhofft schöne befreiende Dinge, stellen sich die Verhältnisse auf einmal ganz anders da. Die niederländische Autorin und Illustratorin in einer Person hat mit diesen modernen Märchenadaptionen (der Gebrüder Grimm und von Charles Perrault) und starken atmosphärischen Tuschezeichnungen in einem handlichen Band ein Gesamtkunstwerk zum Immerwiederlesen geschaffen. (Stefanie Hetze) Leseprobe
Elham Assadi & Sylvie Bello: Der erste Schnee
Aus dem Italienischen von Ulrike Schimming, Bohem Press 2022, 32 S., € 29,95, ab 5 und für alle
(La prima neve, topipittori 2021, ca. € 32,-)
Voller Staunen erlebt ein Mädchen zum ersten Mal das Wunder von Schnee, der den noch bunten Garten mit zartem Weiß bedeckt. Aufgeregt läuft das Kind zur Großmutter, die verspricht, zu erzählen, woher der Schnee kommt. Und sie beginnt ein altes persisches Märchen, in dem es um unerfüllte Liebe und das nie nachlassende Warten auf Glück geht. Die bezaubernde Naneh Sarma, die hoch über den Wolken lebt und für Schnee, Regen und Hagel auf der Erde verantwortlich ist, ist in Nouruz verliebt, der nur einmal im Jahr, am 21. März erscheint, und ausgerechnet dann schläft sie tief. So muss sie weiter warten und auf das nächste Frühjahr hoffen. . .
Sylvie Bello hat für diese iranische Legende, die Elham Assadi immer wieder von ihrer Großmutter gehört hatte, traumwandlerisch schöne Bilder voller Details aus der persischen Kultur, von Pflanzen, Menschen, Tieren geschaffen und sich dazu von Künstlern wie Botticelli und Brueghel inspirieren lassen. Es gibt in diesem riesenformatigen vielschichtigen Bilderbuch ganz viel zu entdecken und zu bestaunen – und es macht Hoffnung auf bessere Zeiten. (Stefanie Hetze) Blick ins Buch
Rob Biddulph: Peanut Jones und die Stadt der Bilder
Aus dem Englischen von Katja Maatsch, Dragonfly 2022, 377 S., € 14,-, ab 9
Peanut ist ein ausgesprochen kreatives und künstlerisch begabtes Kind. Ihr Talent, vor allem aber ihre Begeisterung für Bildwelten hat sie von ihrem Vater, einem Maler. Derselbe ist aber auch ihr aktuell größtes Problem – er ist nämlich verschwunden. Abgehauen, so sieht es zumindest die wütende und mächtig gestresste Mutter. Doch Peanut kann und will das nicht glauben. Der überraschende Fund eines magischen Bleistiftes, der ihr buchstäblich die Tür in die zauberhafte wie gefährliche Stadt Chroma eröffnet, bringt sie endlich auf eine Spur zum so schmerzlich vermissten Vater. Wer Rob Biddulph – wie ich – bisher nur als Erzähler und Illustrator von spannenden wie urkomischen Bilderbuchgeschichten kannte, der wisse, dass ihm genau dies auch für ältere Kinder hervorragend gelingt. Peanut Jones Geschichte ist aber längst nicht nur ein turbulenter Abenteuerroman oder eine anrührende Erzählung von Freundschaft und Geschwisterliebe, sondern darüber hinaus noch gespickt mit mal mehr mal weniger versteckten Andeutungen auf zahlreiche Vertreter der modernen Kunstgeschichte. So entwickelt sich Peanuts von Neugier und Sehnsucht angespornte Suche zu nicht weniger als einer Rettungsmission für Chroma, der Quelle aller Fantasie – auch in unserer Welt. Fortsetzung folgt! (Jana Kühn)