Flix: Immerland

Hanser 2025, 352 Seiten, 20 Euro, ab 12

Mika, 12 ⅚ Jahre alt, ein nerdiger Typ, der gerne zeichnet, noch lieber zockt und in der Schule gemobbt wird, findet seine Oma ohnmächtig am Küchenboden ihres Landhauses. Kurzerhand schnappt er sich Omas Auto, um Hilfe zu organisieren. Das viel zu schnelle Auto rast über eine Leitplanke hinweg und noch während Mika auf den Aufprall und das Ende von allem wartet, schweben Oma und Enkel mit einem Luftschiff weiter in eine andere Welt. Viel später wird Mika wissen, dass es sich dabei um Immerland handelt, buchstäblich ein Ort für die Ewigkeit. Und am liebsten würde der Junge hier auch für immer bleiben, denn plötzlich findet er, was bisher immer fehlte: Freund*innen, Rückhalt und Bestätigung. Endlich einmal kann er nämlich mit seinen wirklich guten Zockerskills punkten – ein schöner und empowernder Twist der spannend wie witzigen Geschichte. Alles ist, wie Mika es sich nur wünschen kann, nur Oma kommt irgendwie nicht wieder richtig auf die Beine … und sehr langsam dämmert nicht nur Mika, dass hinter all dem, was sich so perfekt anfühlt, viel schöner Schein steckt. Was für ein grandios turbulentes Romandebüt von Comiczeichner Flix, der seinem Protagonisten hier flux mal den Zeichenstift geliehen hat! (Jana Kühn)

Das bestelle ich bei Dante!

Ben Shattuck: Die Geschichte des Klangs

Aus dem Amerikanischen Englisch von Dirk van Gusteren, Hanser 2025, 104 Seiten, 20 Euro

1916, Cambridge in New England. In einem Pub begegnen sich die beiden Musikstudenten David und Lionel. Der eine sitzt am Klavier und spielt alte Volkslieder, die er bei seinen Streifzügen durch die Provinzen sammelt. Der andere kann unerwartet eines davon mitsingen. Das ist der Beginn einer leisen, leidenschaftlichen und unausweichlichen Liebesgeschichte, die einen Herbst und einen Sommer dauert. Mit einem Phonographen und etlichen Wachsrollen ziehen die beiden jungen Männer zwei Monate durch die Nadelwälder Maines und zeichnen traditionelles Liedgut auf, gesungen in Küchen, Scheunen, abseits der Öffentlichkeit. Beindruckender sind jedoch die Worte, die der Erzähler Lionel „für all die filigranen Ränder der verlorenen Klänge“ findet, die nicht auf Wachsrollen archiviert wurden. Nüchtern, klar und hochpoetisch erzählt Shattuck diese Liebesgeschichte in und über ihre Klanglandschaft. Jene Wachsrollen sind es auch, die die Verbindung zu der zweiten, in diesem Band enthaltene Erzählung bilden. In den 1980ern findet Anni, Mitte 30, einen Karton mit jenem Archivmaterial auf dem Dachboden ihres neu gekauften Hauses und hört plötzlich das Knistern und Rauschen ihrer eigenen Beziehung. Ein Buch, so schmal wie intensiv. Im Sofa verschwinden und jemandem Vorlesen. In die Tasche stecken und im Wald eine Lichtung suchen – dieses Buch ist ein besonderer Moment. (Kerstin Follenius)

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Mirinae Lee: Die acht Leben der Frau Mook

Übersetzt von Karen Gerwig, Unionsverlag 2025, 336 Seiten, 24 Euro

Auf der Suche nach einer anderen, vor allem sinnvolleren Aufgabe beginnt die Verwaltungsangestellte einer Seniorenresidenz in der südkoreanischen Provinz die alten Leute nach ihrem Leben zu befragen. Die Rückblicke finden großen Anklang – endlich einmal gehört werden. So manche Person erfindet offensichtlich Passagen zum Leben hinzu, doch Frau Mook scheint nun wirklich zu übertreiben. Oder nicht? War sie wirklich eine der vielen Trostfrauen im Pazifikkrieg, findige Spionin für Nord- wie Südkorea? Mörderin und Terroristin? Wieviele Namen, Orte, Stationen, wieviel Hunger, Leid und Gewalt, wieviel Liebe – wieviele Leben passen in ein einziges Leben? Mirinae Lee spannt mit ihrem Roman und der Lebensgeschichte(n) von Frau Mook einen Jahrhundertbogen über die Geschichte Koreas. Erschütternd wie gebannt, ja schonungslos bleibt die Lektüre von der ersten bis zur letzten Seite. Beglückend daran ist, wie klug der Roman gebaut ist, wie durchdacht sich Personen und Bezüge erst im Verlauf erschließen. Lee schreibt das Porträt einer mutigen, widerständigen und kraftvollen Frau, die bis zum letzten Atemzug versucht in einem gewalttätigen System selbstbestimmt zu leben. Völlig zurecht stand die Autorin damit 2024 auf der Longlist des Women’s Prize for Fiction. (Jana Kühn)

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UNSERE SOMMERFERIEN

Die Dante packt demnächst die Koffer und verreist in die Sommerferien.

Samstag, 9. August 12 bis 17 Uhr

Wir haben vom 11. bis 16. August geschlossen.

Vom 18. bis 23. August gibt es verkürzte Öffnungszeiten – täglich von 12-17 Uhr.

Wir wünschen Euch und Ihnen allen erholsame Ferientage mit vielen guten Büchern.

Es grüßen herzlich die Dantes

 

 

 

unbehagen.fm

Für Kurzentschlossene und dem Wetter Trotzende

DieDante und DasBuchprojekt gehen für das Mikrofestival Schwarzes Eis in der floating university. gemeinsam auf Sendung.
unbehagen.fm ist ein temporäres und partizipatives broadcastformat, das der Poesie des Unbehagens auf die Spur kommen möchte.
Mit Esther Becker, Nele Brönner und Katja Petrowskaja.

Samstag
12. Juli 2025
15 bis 22 Uhr

in der
floating university Berlin 
Lilienthalstr. 32, Berlin-Kreuzberg

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Samstag, 12.7.25 unbehagen.fm

Für Kurzentschlossene und dem Wetter Trotzende

DieDante und DasBuchprojekt gehen für das Mikrofestival Schwarzes Eis in der floating university. gemeinsam auf Sendung.
unbehagen.fm ist ein temporäres und partizipatives broadcastformat, das der Poesie des Unbehagens auf die Spur kommen möchte.
Mit Esther Becker, Nele Brönner und Katja Petrowskaja.

Wann? Samstag, 12. Juli 2025, 15 bis 22 Uhr
Wo? floating university Berlin  Lilienthalstr. 32, Berlin-Kreuzberg

Aus der abgedunkelten Sauna der floating university senden Nele Brönner, Katja Petrowskaja und Esther Becker Auszüge aus ihren Geschichten und Fundstücke von anderen, die das Thema des Unbehagens weitläufig umkreisen. Radiogeräte übertragen die Kurzlesungen in das Gelände der floating. Wer es intimer mag, kann sich Kopfhörer leihen und beim Zuhören frei flanieren.

lineup
17.00 Nele Brönner
19.00 Katja Petrowskaja
21.00 Esther Becker

EINTRITT FREI!

 

1 Jahr DIE DANTE

Unser erstes Jubiläum

Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir die Dante Connection von Stefanie Hetze übernommen.

Es liegen aufregende und lehrreiche Monate hinter uns, mit tollen Büchern und wirklich schönen, unvergesslichen Veranstaltungen. Wir möchten DANKE sagen, dass Ihr alle uns die Treue haltet, und wir freuen uns darauf, Euch weiterhin mit Leseempfehlungen und guten Büchern zu begleiten.

Es bleibt eben alles anders und wird, wie es war … und so kommen hier wie immer zum Monatsbeginn unsere neuen Danteperlen.

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen der Perlen und freuen uns auf Euren Besuch – in der Buchhandlung und gerne auch im Webshop.

Herzlich grüßend
die Dantes

 

Ocean Vuong: Der Kaiser der Freude

Aus dem Amerikanischen von Anne-Kristin Mittag und Nikolaus Stingl, Hanser 2025, 527 Seiten, 27 Euro

Eigentlich hat Hai, ein 19-jähriger queerer Amerikaner vietnamesischer Abstammung, das Leben noch vor sich, aber für ihn tun sich nur Abgründe auf. Er hat seinen Freund verloren, ist fest im Griff seiner Tablettensucht, das College hat er mit einem Schuldenberg geschmissen. Ohne Perspektive kehrt er in sein Heimatnest zurück, wo apokalyptischer Stillstand, Verfall und Leere herrschen. Hier trifft er auf Grazina, die am Ende ihres ereignisreichen Lebens steht. Wie ihr altersschwaches Haus zerbröseln ihr Geist und Körper, gleichzeitig blitzen immer wieder Momente ihrer Stärke und Gewitztheit auf. Hai schlüpft bei ihr unter und begibt sich mit ihr auf phantastische Reisen zwischen Realität und Demenz, die Vuong umwerfend schildert.  Über seinen sehr besonderen Cousin Sony findet Hai einen Job in einem Fastfoodrestaurant. Alle, die dort prekär arbeiten und die in der Regel auch in der Literatur ein Schattendasein führen, befördert der Autor mit all ihren Problemen, Spleens und Träumen ins Rampenlicht. Er bewegt sich mit ihnen, mit Hai, mit Grazina in abgefuckten, atemberaubend beschriebenen Orten und Landschaften. Voller Zärtlichkeit und Respekt, aber auch höchst unterhaltsam verwickelt er sie in spannende Roadmovies, dramatische Beziehungs- und Familiengeschichten und kontrastiert ihre Sehnsüchte mit den knallharten Realitäten der USA. Eine ergreifende Ode auf das vielfältige Amerika. (Stefanie Hetze)

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Kevin Chen: Geisterdämmerung

Aus dem Chinesischen von Monika Li, Matthes & Seitz Berlin 2025, 383 Seiten, 26 Euro

Kevin Chen, Berliner Autor und Filmschauspieler, ist in Taiwan geboren und aufgewachsen. Die Beziehung zu diesem Land bildet den perfekten Hintergrund für diesen außergewöhnlichen Roman, der bereits in mehr als zehn Sprachen übersetzt worden ist.
Ein junger Mann, Tianhong, wird für den Mord seines Partners verurteilt und sitzt dafür zehn Jahre im Gefängnis in Berlin. Nach seiner Entlassung weiß er nicht wohin. Schlussendlich kehrt er zurück in sein taiwanisches Heimatdorf: Yongjing, was ewiger Frieden bedeutet, doch für ihn alles andere ist als das.
Der Roman ist voller Gewalt und wurde sehr packend geschrieben. Er ist gleichzeitig eine Geschichte von Geistern, die tief in der taiwanesischen Kultur verwurzelt sind. Immer wieder entstehen schöne Bilder, wie die Beschreibung atemberaubender Landschaften oder beglückende familiäre Momente. Kevin Chen erzählt sehr assoziativ, verschiedene Geschichten und Erzählperspektiven sind übereinander gelagert: Das sorgt für eine bewegte, atemberaubende Lektüre, die gleichzeitig amüsiert, erschreckt und zum Nachdenken bringt.

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Nora Hoch: Das beste Versteck des Sommers

Illustriert von Susanne Göhlich, dtv 2025, 176 Seiten, 15 Euro, ab 9

… und jede Menge Himbeereis! Ja, Eis spielt eine große Rolle in diesem herrlich sommerlichen Roman für Kinder, der ebenso mit gefühlvollem Tiefgang aufwartet. Den einmaligen Geschmack von Himbeereis wird Oma Rosa ihr ganzes Leben nicht vergessen. Das Rezept ihres Vaters für Blaubeereis fällt ihr aber beim besten Willen nicht mehr ein. Überhaupt vergisst sie in letzter Zeit ziemlich viel. Ihre Enkelin Ada bemerkt diese Veränderungen wohl, vor allem aber hat sie den mahnenden Ton ihrer eigenen Mutter im Ohr, dass Oma Rosa jetzt „anders“ sei und vieles nicht mehr alleine schaffe. Muss sie ja auch nicht, sie hat ja Ada, und die würde sofort mit Oma Rosa in das italienische Bergdorf aufbrechen, in dem Oma Rosa aufgewachsen ist und wo sie ganz sicher, sagt Oma, das Eisrezeptebuch ihres Vaters versteckt hat. Ihre ältere Schwester Rike hat Ada schnell von der Reiseidee begeistert … ihre Mutter leider gar nicht. Doch es geht trotzdem los und es wird aufregend und es wird himbeereisgut. Nora Hoch hat als Theaterpädagogin und Dramaturgin ein untrügliches Gespür für lebendige Dialoge und einen erzählerischen Spannungsbogen, der en passant die Demenz der Großmutter und die damit einhergehenden Herausforderungen an eine Familie aufgreift. Wie Ada und Rike ihre Oma Rosa nach Italien bringen und was es mit dem Eisrezeptebuch auf sich hat, ist in jedem Fall eine vergnüglich leichte Sommerlektüre, die im Gedächtnis bleibt.  (Jana Kühn)

Das bestelle ich bei Dante!