Danteperlen

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An jedem Monatsanfang veröffentlichen wir an dieser Stelle vier persönliche Buchempfehlungen, unsere Danteperlen, denen wir viel Aufmerksamkeit  wünschen.

Im Juli 2022 haben wir zum achten Mal die Danteperlen als schöne gedruckte Broschüre veröffentlicht mit einem prallen Jahr voller Lesetipps für Große und Kleine. Die Broschüren sind kostenlos bei uns erhältlich.

Hier finden Sie unsere aktuellen Danteperlen aus diesem Monat. Stöbern und frühere Empfehlungen lesen können Sie auf den Unterseiten.

... für Erwachsene
Fabian Saul: Die Trauer der Tangente
» Empfehlung lesen

... für Erwachsene
Thomas Korsgaard: Hof / Stadt
» Empfehlung lesen

... für Kinder
Ellen Heck: A wie Biene
» Empfehlung lesen

… für Jugendliche
John Schu: Louder Than Hunger
» Empfehlung lesen

 

Fabian Saul: Die Trauer der Tangente


Matthes & Seitz 2024, 320 Seiten, 26 Euro

Die Trauer der Tangente ist das vielleicht dichteste, das mit Sicherheit berührendste Buch, das ich seit langem gelesen habe. Über zehn Jahre hat Fabian Saul Gedanken, Begegnungen, Zitate, Erlebnisse und Orte sedimentieren lassen, bis sie – so scheint es wenigstens – von selbst ihre Geschichte, ihren erzählerischen Verlauf gefunden haben. Es geht darin um Freundschaft, um Liebe, um Abschiede, um das Eigene im Anderen. In kurzen Erzählfragmenten erschließt sich im Lesen ein immer enger geknüpftes Netz aus Orten und namenlos bleibenden Menschen, die ihre Identität erst langsam durch sich wiederholende Wendungen und Zuschreibung erhalten, die dem Buch einen fast musikalischen Duktus verleihen. „Trocadéro hast Du gesagt…“ ist so eine dieser poetischen Chiffren, die ganz langsam die Stadt Paris als Ort einer Begegnung, als koloniale Kulisse, als einen Kindheitsraum definieren. Sauls Erzählen bleibt immer flüchtig und vorläufig, gräbt sich als literarisches Bild umso tiefer und dauerhafter ein, auch wenn das Buch schon lange beiseite gelegt ist. Die titelgebende Tangente ist es, über die Fabian Saul sicher durch dieses vielschichtige Universum führt, punktuelle Berührungen von einer solchen Intensität erzeugt, das man mit vollem Herzen wieder an das Erzählen glauben mag.
(Kerstin Follenius)

Das bestelle ich!

Thomas Korsgaard: Hof / Stadt

Übersetzt aus dem Dänischen von Justus Carl und Kerstin Schöps
Kanon, 2024/2025, jeweils ca. 280 Seiten, 25 Euro

„Hof“ und „Stadt“ sind die ersten zwei Teile einer Romantrilogie des jungen Autors Thomas Korsgaard, der in Dänemark als literarisches Wunderkind gilt.
Im Zentrum der Erzählung steht Tue, zu Beginn 12 Jahre alt, der in sehr prekären Verhältnissen auf einem heruntergewirtschafteten Bauernhof in Dänemark lebt. Die Mutter hat nach einer Totgeburt eine schwere Depression, der Vater ist glücklos, launisch, manchmal brutal. Es wird wenig gesprochen in der Familie und noch weniger zugehört. Das Haus ist dreckig, die Gegend karg und auch die Schule ist kein guter Ort. In diesem sehr trostlosen Setting versucht Tue sich durchzuschlagen, manchmal ebenso glücklos, launisch und brutal wie der Vater, manchmal fast schlafwandlerisch und im Verlauf der Geschichte zunehmend selbstbewusst in seiner Andersartigkeit. Korsgaard schenkt den Protagonist*innen und den Leser*innen nichts, nur manchmal scheint eine große Zartheit durch und gibt es kleine Momente der Hoffnung. Tue wird es schaffen.
Im Herbst erscheint Teil 3: „Paradies“. (Katharina Bischoff)

Das bestelle ich!

Ellen Heck: A wie Biene

Carlsen, 40 Seiten, 15 Euro, ab 5

Wer glaubt, dass ein ABC-Buch mit Tieren eine relativ erwartbare Angelegenheit sei, wird hier ein farbenfrohes Wunder zwischen zwei Buchdeckeln erleben. Ellen Heck buchstabiert nicht einfach nur von A wie Affe bis Z wie Zebra verschiedenartige Fauna. In ihrem besonderen und auch besonders schönen Bilderbuch löst schon der Titel eine erste Irritation aus. Ihr Alphabet folgt in seiner Reihenfolge nämlich nicht den Anfangsbuchstaben der Tiere in deutscher Sprache, sondern deren Übersetzung in insgesamt 68 Sprachen rund um den Globus, z.B. Afrikaans, Balinesisch und Cherokee. Irritation wird schnell zu Staunen und Freude, und Hecks Illustrationen leuchten und die Schönheit von Sprache(n) strahlt für sich. (Jana Kühn)

Das bestelle ich!

John Schu: Louder Than Hunger

Übersetzt aus dem Amerikanischen Englisch von Maren Illinger
Fischer Sauerländer 2025, 528 Seiten, 19,90 Euro

Jake möchte am liebsten verschwinden, er denkt, dass er viel zu viel Platz einnimmt. Deswegen versucht er so wenig wie möglich zu essen und so viel Sport wie möglich zu machen, um so viel abzunehmen, wie nur irgendwie geht. Um ihm zu helfen, schicken seine Eltern ihn in eine Klinik, in der seine Essstörung behandelt werden soll. Doch die Gruppentherapien und die Therapeutin lassen die Stimme nur noch lauter werden, die ihm einbläut niemandem zu vertrauen und allen vorzuspielen sich zu bessern, um schnell wieder nach Hause zu können.
Durch die besondere Versform, in der das Buch geschrieben ist, mit immer wieder wechselnden Schriftarten und Schriftgrößen, fühlt es sich so an, als wäre man in Jakes Kopf und würde die Gedanken und Gefühle, die er erlebt, sehen. Dadurch kann man sich gut in das Buch reinfühlen. Auf den einzelnen Seiten ist wenig Text und deshalb ist das Buch trotz seiner Dicke sehr schnell zu lesen. Besonders interessant ist die Entwicklung von Jake. Man beobachtet ihn bei jedem Schritt der Therapie und seiner Magersucht.
Meiner Meinung nach eine klare Empfehlung, da diese Thema ein sehr wichtiges ist. Der Autor litt als Jugendlicher selbst an einer Essstörung und dadurch kann er den Leser*innen gut verständlich machen, was bei dieser Krankheit passiert, auch wenn man selbst in keinster Weise davon betroffen ist. Es scheint in gewisser Weise plausibel wie Jake sich verhält. (Lotte, Schülerpraktikantin, 15 Jahre)

Das bestelle ich!