Danteperlen

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An jedem Monatsanfang veröffentlichen wir an dieser Stelle vier persönliche Buchempfehlungen, unsere Danteperlen, denen wir viel Aufmerksamkeit  wünschen.

Im Juli 2022 haben wir zum achten Mal die Danteperlen als schöne gedruckte Broschüre veröffentlicht mit einem prallen Jahr voller Lesetipps für Große und Kleine. Die Broschüren sind kostenlos bei uns erhältlich.

Hier finden Sie unsere aktuellen Danteperlen aus diesem Monat. Stöbern und frühere Empfehlungen lesen können Sie auf den Unterseiten.

... für Kinder
Selma Noort: Das kleine Haus am Fluss
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... für Erwachsene
Luna Ali: Da waren Tage
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... für Erwachsene
Percival Everett: James
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... für Erwachsene
Teodor Cerić: Gärten in Zeiten des Krieges
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Selma Noort: Das kleine Haus am Fluss

Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann, Gerstenberg 2024, 208 S., € 16,- , ab 9

Eine wirkliche Entdeckung nicht nur dieses Frühjahrs oder dieses Leipziger Buchmessen Gastlandauftritts ist dieser Familien-Roman. Ich nenne ihn so, weil ich ihn für eine perfekte Familienlektüre halte, der am besten alle gemeinsam lauschen. Vielleicht auch, weil es den einen oder anderen Moment gibt, für den ich manchen Kindern Begleitung wünsche, um die Geschehnisse einzuordnen. Aber von vorn, denn alles beginnt mit einem wortwörtlich großen Knall: Ein Laster rast in ein kleines Haus, genau in das Schlafzimmer von Juss. Der Junge wird schwer verletzt geborgen und hier beginnt in Rückblenden die Erzählung eines Sommers, gleichzeitig die Geschichte einer Großfamilie, die in ihrem Zusammenhalt beglückt. Fünf kleine Häuser stehen da am Fluss, in denen mehrere Familien, Onkel, Tanten und Großeltern leben. Da wird füreinander gesorgt und eingestanden, gestritten und sich vertragen, sich vertraut und verziehen. Zwischen Juss und seine Cousine Amber passt kein Blatt Papier, so unzertrennlich verbringen sie die Tage – bis eben besagter Unfall passiert … Das Happy-End sei hier vorweggenommen! (Jana Kühn) Leseprobe

Das bestelle ich!

Luna Ali: Da waren Tage

S. Fischer 2024, 304 S., € 24,-

Es ist der 15. März 2011. In Syrien bricht der Arabische Frühling aus, in Deutschland beginnt Aras sein Jurastudium, 12 Jahre nachdem er mit Schwester und Mutter Aleppo verließ. Der Jahrestag der Syrischen Revolution wird zum roten Faden, entlang dessen Luna Ali uns durch das Leben ihres Protagonisten führt. Hörsäle, Alltag zwischen Beziehung, Familienleben und Ausländerbehörde. Ein Interview zur Lage in Syrien. Die inhaltlichen Sprünge zwischen den Kapiteln werden gewagter, die sich zuspitzende Gewalt in Syrien wirkt sich auf Aras Leben in Deutschland aus, so wie andere Geschichten nach vorne dringen. Die sind schön erzählt, verstörend, nicht immer leicht zu lesen. Wenn Luna Ali die Wurzeln von Assads Schergen in eine deutsche Nazivergangenheit offenlegt, zum Beispiel. Oder wenn sie die Parallelität von Geschichte(n), die in Migrationsbiographien eine so bedeutende Rolle spielen, ernst nimmt und ganze Passagen in Spalten erzählt.
Was Sprache mit einer Biographie macht, zeigt uns Da waren Tage zwischen den Zeilen. Ali ist da wirklich etwas gelungen – eine junge, weibliche Stimme, die etwas wagt und der Sprache ebenso viel zumutet, wie sie ihr Vertrauen schenkt. (Kerstin Follenius) Leseprobe

Das bestelle ich!

 

 

Percival Everett: James

Aus dem Amerikanischen  von Nikolaus Stingl, Hanser 2024, 336 S., € 26,-

James, der vor einem Verkauf durch seinen Sklavenhalter flieht, und der Junge Huck, der aus demselben Hause weggelaufen ist, treffen einander unerwartet auf einer kleinen Insel im Missippi, den sie bald darauf zusammen auf einem wackeligen Floß befahren. Wem diese Geschichte bekannt vorkommt, täuscht sich nicht, denn Percival Everett hat mit James eines der Schlüsselwerke der US-amerikanischen Literatur und Mark Twains bekanntesten Roman Die Abenteuer des Huckleberry Finn adaptiert. Allerdings stellt er schon titelgebend James bzw. Jim, wie er verkürzt von vor allem Weißen genannt wird, in den Mittelpunkt des Erzählens und stattet seinen Protagonisten mit Bildung und Würde aus. Durch diese genial erdachte Verschiebung führt der Autor die von Sklaverei und Rassismus brutal verderbte Gesellschaft vor. Dass bei aller Dramatik der Geschehnisse immer wieder Momente großer Komik und atemloser Spannung entstehen, zeichnet Everettts Meisterschaft im Schreiben aus. Schon zu Jahresbeginn eines der besten Bücher in 2024! (Jana Kühn) Leseprobe

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Teodor Cerić: Gärten in Zeiten des Krieges

Reiseberichte aus Europa. Herausgegeben von Marco Martella. Aus dem Französischen von Tobias Scheffel, Liebeskind 2024, 120 S., € 20,-

Gärten sind seit jeher Orte des Innehaltens und der Regeneration. Opulente Bücher über berühmte repräsentative Gartenanlagen versuchen, die Sehnsucht nach der Schönheit geordneter Natur zu stillen. Ganz zart kommt dagegen ein kleines Buch daher, das zudem das alles andere als beschauliche Wort „Kriege“ im Titel führt, aber eindrücklich Gärten vorstellt, die eher nicht zum Kanon gehören und im Verborgenen liegen. Beschrieben werden sie von einem Erzähler, einem aus Sarajewo geflüchteten Literaturstudenten,  dem sie bei seinem Umherirren durch Europa Halt und manchmal Arbeit geben. Und der sich inspirieren lässt von ihren Besonderheiten und ergründet, wie aus Träumen, mögen sie noch so übertrieben sein, Gärten entstehen. So sucht er den Garten Derek Jarmans direkt neben einem Atomkraftwerk auf oder Samuel Becketts hinter einer mit Scherben bestückten Mauer biologische Gartenwüste oder erforscht die Geschichte eines sogenannten Schmuckeremiten in einem englischen Landschaftspark. In Graz, in einem hinter Mauern versteckten Hof voller Farne, endet seine Odyssee. Er kehrt zurück, um einen eigenen Garten anzulegen, hat dabei aber schon seinen Leserinnen und Lesern ein literarisches Kleinod hinterlassen, das zur gedanklichen Kontemplation einlädt – und zu Überlegungen zur Mitwirkung des Herausgebers Marco Martella. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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