Aus dem Polnischen von Lisa Palmes. Suhrkamp 2023, 829 S., € 34,-
Was für eine außergewöhnliche Familie sturer, auch durch die schlimmsten Schicksalsschläge nicht klein zu kriegender Frauen! Kalina, die Jüngste, erzählt und recherchiert die Geschichten ihrer Vorfahrinnen Winifreda, Berta, Barbara und Violetta, die sich trotz unzähliger physischer und seelischer Verletzungen mit hochgradiger Energie und Kreativität zur Wehr setzen. Im Falle von Berta, einer Metzgerstochter, und Barbara, die aus Not alles irgendwie Essbare zur Konserve macht, geht ihr Widerstand gegen Bevormundung und Gewalterfahrung so weit, dass sie dafür ins Gefängnis gehen müssen. Joanna Bator siedelt ihr großes emanzipatorisches Frauenepos in der polnischen Provinz an. Zentraler Ort ist wieder ihr niederschlesisches Heimatdorf Wałbrzych, ehemals Waldenburg, mit seinen unvergleichlichen Bewohner:innen, den Gerüchen, Hunden und Wölfen. Auch in 100 Jahren Geschichte haben sich die traumatischen Erfahrungen von Frauen in Polen nicht wesentlich verändert, allenfalls ist es für sie leichter zu konsumieren, wie die Figur der Violetta eindrücklich demonstriert. Sehr dunkel, sehr bitter ist dieser Roman, doch gleichzeitig phänomenal kraftvoll und widerständig – so auch die Sprache. Da gibt es Sätze wie Messerstiche und immer wieder Momente der Zartheit, der Suche nach Glück. (Stefanie Hetze) Leseprobe