Ermanno Rea: Nostalgia

Aus dem Italienischen von Klaudia Ruschkowski, Marix Verlag 2022, 288 S., € 22,-

(Nostalgia, Feltrinelli 2016, ca. € 14,50)

Felice wächst in der Sanità auf, dem berüchtigtsten Viertel Neapels, beherrscht von organisierter Kriminalität und Gewalt. Von klein auf ist er eng mit Oreste befreundet, der ihn jedoch gegen sein eigenes Bauchgefühl zu immer riskanteren Raubüberfällen überredet. Als der Einbruch bei einem weithin bekannten Wucherer in einer Tragödie endet, schafft Felice – erst 16 Jahre alt – den Absprung und geht mit einem Onkel zur Arbeit bei einer Baufirma nach Beirut. 45 Jahre lang wird er nicht nach Italien zurückkehren, doch die Vergangenheit und der Mord, für den er sich mitverantwortlich fühlt, lassen ihn nicht los. Als seine Mutter im Sterben liegt, kehrt er in das Viertel seiner Jugend zurück und muss sich den Dämonen in seinem Kopf sowie Oreste – mittlerweile ein Boss der Camorra – stellen.
Ermanno Rea verwebt diese fiktive, mitreißend erzählte Story mit Abrissen über die Geschichte der Sanità, einst Vorstadt der Gärten, Grotten und Katakomben, dann bevorzugte Villengegend adliger Neapolitaner, und nach städtebaulichen Veränderungen, die das Viertel ins Abseits geraten ließen, sowie dem Niedergang des Lederhandwerks – hier wurden die feinsten Handschuhe Europas gefertigt – immer mehr Ort der Armut und Gewalt. Vermittelt durch die Figur des streitbaren Priesters Don Rega, der einer reellen Person nachempfunden ist, erzählt er aber auch von den engagierten Menschen, die es in den letzten 20 Jahren mit viel Zivilcourage und gegen alle Widerstände geschafft haben, an den Verhältnissen etwas zu ändern und die Hoffnung zurückkehren zu lassen.
So setzt er den Helden und den Opfern in seinem erst postum veröffentlichen Werk ein gerade für Neapelkenner spannendes und sehr lesenswertes Denkmal.
(Syme Sigmund)

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