Maxim Biller: Mama Odessa

Kiepenheuer & Witsch 2023, 230 S., € 24,- 

Nach dem Tod der Mutter kreisen die Gedanken des Schriftsteller-Sohnes um ihre Familiengeschichte und ihr zurückgelassenes Leben in Odessa. Die Familie Grinbaum sah sich zur Emigration gezwungen, nachdem die politischen Aktivitäten des Vaters lebensbedrohlich wurden. Der Vater träumt von einer Zukunft in Israel, wo sie aber nie ankommen. Auch in ihrem neuen Wohnort im Hamburger Grindelviertel kommen sie – jeder auf seine Weise – nie wirklich an. Für die Mutter, die für längere Zeit vortäuscht, nur rudimentär deutsch zu sprechen, und die sich in den russischen Klassikern zu Hause fühlt, wird das Schreiben entlang der Familiengeschichte zum Zufluchtsort.
Die assoziative Gedankenreise des Erzählers ergänzt sein Erinnertes durch mütterliche Erzählungen und Briefe und lässt so ein facettenreiches Bild von historischen Ereignissen und Familienmythen entstehen, das auf wunderbare Weise nachdenklich macht. Immer präsent und atmosphärisch stark erzählt ist die vereinende Sehnsucht nach Odessa, nicht zuletzt durch den dort zurückgelassenen geliebten Großvater. Mit viel Melancholie und Wärme erzählt Biller, der erneut offenherzig mit Fiktion und Wirklichkeit spielt, von dem Schicksal der Juden in der Sowjetunion und einer eigensinnigen Mutter-Sohn Beziehung. (Franziska Kramer) Leseprobe

Das bestelle ich!