Mit einem Nachwort von Petra Morsbach, Friedenauer Presse 2023, 177 S., € 20,-
Dieses vielfach ausgezeichnete Buch ist längst kein Geheimtipp mehr, immer schnell vergriffen, ist jetzt aber nach dem Tod seiner Autorin in einer sympathischen Auflage neu herausgegeben worden und immer noch eine Wucht. Ganz nah dran erzählt Scherer in ihrer hinreißenden Reportage die mühevolle Geschichte des arbeitslosen Akkordeonspielers Wladimir Alexandrowitsch Kolenko, der nach dem Fall der Sowjetunion versucht, sich auf Berlins Straßen als Musiker durchzuschlagen und seine Familie zu Hause zu ernähren. Wie hart es ist, wie abhängig er von den ihm einen Schlafplatz zur Verfügung stellenden einsamen Frauen, erfahren wir hautnah. Jede Menge bürokratischer Hürden in Berlin, in Russland und auf den komplizierten langen Reisen dazwischen muss er irgendwie allein bewältigen. Ganz andere Ressourcen haben dagegen russische Migrant:innen mit schier unbegrenzten Geldquellen, deren Leben die Autorin wie weitere Figuren der Stadt streift. Glänzend geschrieben ist das Buch wie eine Schule, genau hinzusehen. (Stefanie Hetze) Leseprobe