Saša Stanišić: Herkunft

Luchterhand Literaturverlag 2019, 360 S., € 22,-, btb TB 12,-

(Stand März 2021)

Stanisic herkunftDanteConnection_Danteperle Was ist Herkunft, wo komme ich her? Nicht ein Geburtsort, eine Nation oder gar Nationalität. Herkunft – das sind Erinnerungen, Geschichten, Menschen. Die Großeltern, ein Dorf in den bosnischen Bergen, aus dem die Familie stammt, die Jungendfreunde an der ARAL-Tankstelle in der Hochhaussiedlung in Heidelberg, die erste Freundin, die Eltern, die in Deutschland nicht Fuß fassen, die Kindheit in Višegrad. Saša Stanišić flicht ein Netz aus Geschichten von vor und nach der Katastrophe des Krieges, der die Familie in die Fremde zwang und alle frühen Erinnerungsorte mit Gräuelnachrichten überschrieb, verwebt feinfühlig, flirrend, poetisch und doch klarsichtig und voller Witz Erinnerungen und Anekdoten, spricht von Sprache, Emigration, Scham und Ausgrenzung, von Zerrissenheit, Familie und Freundschaft. Kein „Zugehörigkeitskitsch“, sondern Zwischentöne.
Nachdenklich, erfüllt, berührt und auch heiter verfängt man sich und will immer noch mehr. Eine unbedingte Empfehlung! (Syme Sigmund) Leseprobe

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Renus Berbig: Die leise Luise

Illustriert von Anke Kuhl, Beltz & Gelberg 2017, 117 S., € 12,95, ab 6
(Stand März 2021)

Berbig_Die_leise_Luise_Danteperle_DanteConnectionLuise ist ein eher stilles Kind, was manchmal ziemlich doof ist – man überhört sie nämlich ganz leicht. Aber warum soll immer sie lauter sein? Wie wäre es, wenn die anderen mal besser hinhören? In vielen kleinen Geschichten aus Luises Alltag zeigt Renus Berbig, dass Luise dank jeder Menge blitzgescheiter Ideen und viel Einfühlungsvermögen sehr oft die genau richtige Lautstärke trifft: mucksmäuschenstill oder auch mal schreiend laut. So erleben ihre Freunde und Familie gerade wegen ihrer angeblichen „Leise-Schwäche“ ungeahnt tolle Sachen: eine fliegende Zeltstadt, ein Milchstraßenrennen oder eine Wohnzimmerinsel.  Mit viel Fingerspitzengefühl beleuchtet Renus Berbig die Verhältnisse zwischen Kindern und Erwachsenen und noch ganz andere wichtige Lebensfragen. Zusammen mit Anke Kuhls – wie immer – großartigen Illustrationen in Rot-Blau ist so eine sensible Schule des Leise-Seins und Genau-hin-Hörens entstanden. (Jana Kühn) Leseprobe

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J.L. Carr: Ein Monat auf dem Land

Aus dem Englischen von Monika Köpfer. Dumont 2016, 144 S., € 18,00, TB 2017, € 10,-
(Stand April 2021)

j-l-carr-ein-monat-auf-dem-land1920, ein Provinzbahnhof im Norden Englands, der Regen strömt, ein junger Mann holt seinen Bastkorb und ein faltbares Feldbett aus dem Waggon. Unter Mühen und starker Beobachtung der Dorfbevölkerung schleppt er alles zu seinem neuen Arbeitsplatz, einer Dorfkirche. In dieser soll er den Sommer über ein x Mal übermaltes, mittelalterliches Fresko freilegen. Weit weg von London  hofft er in diesem kleinen Idyll, Abstand von seinen Problemen zu bekommen. Seine Frau hat sich von ihm getrennt und der Krieg hat massive Traumata bei ihm hinterlassen. Während er nun in der Kirche Schicht um Schicht der alten Übermalungen abträgt, strömt die Dorfbevölkerung herbei. Angezogen von ihm, dem Städter und seiner merkwürdigen Arbeit, sprechen sie mit ihm, laden ihn ein, nimmt er an ihren Aktivitäten teil. Ganz allmählich kommt nicht nur das ursprüngliche Wandbild zum Vorschein, sondern lösen sich auch alte Verletzungen. Besonderer Motor ist dabei die schöne junge Pfarrersfrau, in die er sich verliebt . . . Mit viel Diskretion, Einfühlungsvermögen und Eleganz geschrieben hat J.L. Carr mit seiner 1980 veröffentlichten und jetzt erstmals ins Deutsche übertragenen Novelle eine kleine Kostbarkeit geschaffen. (Stefanie Hetze)

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Jakob Hein: Kaltes Wasser

Galiani 2016, 240 S., € 18,99, TB KiWi 2017, € 9,99
(Stand April 2021)

hein_kaltes_wasser_danteperle_danteconnection Friedrich – Fritz – Bender ist ein Blender. Schon als Kind ist  sein wohl größtes Talent seine Fabulierlust. Er wächst in den 1970ern im Osten Berlins als Kind einer Kaderleiterin und eines Professors für Marxismus-Leninismus heran. Doch ihre schale Linientreue ist so gar nichts für den windigen Jungen. Als Agitator denkt er sich für seine Pionier-Mitschüler lieber spannende Anekdoten aus, um die immer gleiche Berichterstattung der Staatsorgane zu umschiffen, und auch als Teenager weiß er mit geradezu hanebüchenden Liebesabenteuern zu beeindrucken. Mit dem Mauerfall könnte sich für Fritz nun gewissermaßen eine Wende ankündigen, doch er findet auch im neuen System schnell die dünnen Bretter und bohrt, was das Zeug hält. Mit einer neuen Identität mausert Fritz sich gar zum wohlhabenden Adligen. Doch das Zeitalter des Internets naht und damit eine Form von allgegenwärtiger Transparenz und Überprüfbarkeit, die selbst Benders Fantasie an ihre Grenzen bringt. Ein überaus vergnüglicher Schelmenroman über eine Zeit des Umbruchs und der Goldgräberstimmung, die so mancher dreist zu nutzen wusste. (Jana Kühn)

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Vincenzo Latronico: Die Verschwörung der Tauben

Aus dem Italienischen von Klaudia Ruschkowski, Secession Verlag 2016, 320 S., € 24,-
(La cospirazione delle colombe, attualmente in Italia non disponibile)
(Stand April 2021)

latronico-verschwoerung-der-tauben-danteperle-danteconnection-italienische-buecher-berlinAlfredo Cannella und Donka Berati lernen sich an der Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi kennen. Beide sind ambitioniert und ehrgeizig, wobei Donka der vielversprechendere ist. Aber Donka ist Albaner und studiert mit Stipendium, Alfredo hingegen ist Sohn eines erfolgreichen venezianischen Unternehmers. So driften ihre Leben immer weiter auseinander. Spannend entfaltet sich ein Panorama, in dem die Verquickungen von Wirtschaft und Politik, von Profitgier und Skrupellosigkeit Alfredo alle Spielräume eröffnen, während Donka sich an einer Realität abarbeitet, in der ohne Beziehungen, Betrug und Bestechung kein Erfolg möglich ist. Wie viel ist er bereit zu opfern, um doch noch von einer Taube zum Falken zu werden? Ein rasanter Roman über die italienischen (und weltweiten) Machtverhältnisse hinter den Kulissen, der von Klaudia Ruschkowski glänzend übersetzt wurde. (Syme Sigmund)

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Daniel Woodrell: Tomatenrot

Aus dem Englischen von Peter Torberg, Liebeskind 2016, 224 S., € 20,-
(Stand April 2021)

28_woodrell_tomatenrotbuchhandlung_dante_connection_danteperleFür Sammy existieren wenige Dinge, die ihn an einem Ort halten, keine Freunde, keine Familie und so zieht er umher. Ein Job ist schwer zu finden, aber umso schneller wieder verloren und gleiches gilt für ein Zuhause. Als er bei einem nächtlichen Einbruch in einer Villa im Drogenrausch einpennt – unfassbar typisch Sammy – wird er von einem jugendlichen Geschwisterpaar überrascht, das sich nachts am Reichtum  in fremden Häusern versucht und Samy einen interessanten Deal vorschlägt. Jamalee ist unnahbar und trotzig, dabei klug und von einem Gedanken getragen: Raus hier! Raus aus White Trash und Perspektivlosigkeit, rein in ein anderes, ein besseres Leben. Und klappen soll das mithilfe der auffälligen Schönheit ihres jüngeren Bruders Jason, dem Männer wie Frauen zu Füßen liegen. Auf irgendeinem Weg muss daraus doch Kapital zu schlagen sein. Sich ausgerechnet Sammy als Partner ins Boot zu holen, ist folgenschwer – und man ahnt es schon – funktioniert auch nicht, obwohl Sammy doch schon immer so gern ein Held sein wollte. Daniel Woodrell hat einen erbarmungslos ungerechten, tiefschwarzen Noir geschrieben, der anrührt, oft zum Lachen bringt und pure Lesefreude ist! (Jana Kühn) Leseprobe

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Elena Kostioukovitch: Italia!

Die Italiener und ihre Leidenschaft für das Essen: Eine Reise von den Alpen bis Sizilien und Sardinien. Mit einem Vorwort von Umberto Eco. Aus dem Italienischen von Rita Seuß, Maja Pflug, Friederike Hausmann und Burkhart Kroeber. Fischer 2015, 552 S., € 24,99
(Perché agli Italiani piace parlare del cibo, Odoya 2015, ca. € 49,-)
(Stand April 2021)

40_kostioukivitch_italiaEssen und vor allem das leidenschatliche Diskutieren darüber prägen in Italien Alltag, Kultur und  Kommunikation. Von den vielfältigen Facetten und regionalen Besonderheiten der Küche Italiens schreibt die Autorin kenntnisreich, sie nimmt uns mit auf eine Reise durch das ganze Land, erzählt Geschichten vom Essen, das sich längst nicht nur auf den Kalender, die Demokratie, den Eros und das Glücksgefühl auswirkt. Eine außergewöhnliche Kulturgeschichte, dazu angereichert mit stimmungsvollen SW-Fotos. (Stefanie Hetze)

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Frauen und Kleider. Was wir tragen, was wir sind

Hrsg. von Leanne Shapton, Sheila Heti & Heidi Julavits. Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeits & Britt Somann. Fischer 2015
Dieses Buch ist leider vergriffen!
(Stand April 2021)

33_frauen_und_kleiderEin Füllhorn: Hunderte Frauen, Künstlerinnen, Unbekannte, Prominente, Junge und Ältere, Weisse, Schwarze… äussern sich über das, was sie tragen, wie sie sich sehen und was sie mit ihrer Kleidung verbinden. Fragebögen, Foto- und Textcollagen, Gespräche, Selbstauskünfte sowie Abbildungen von Kleider-, Socken-, Brillen…sammlungen wechseln einander ab und ergeben ein vielstimmiges anregendes Bild. Es macht großen Spaß, in diesem Schatz zu stöbern!

 

Dana Grigorcea: Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit

Dörlemann 2015, 220 S., € 22,00

(Stand März 2021)

Grigorcea-US-Final.inddBukarest im flimmrig-heißen Sommer. Über allem liegt der intensive Geruch der Lindenblüten, die an den Schuhsohlen kleben. Victoria, nach Jahren in der Schweiz wieder zurück in Rumänien, erlebt als Angestellte einen Banküberfall. Freigestellt zur “Traumaverarbeitung” nutzt sie die freie Zeit, tief in ihre Kindheitserinnerungen einzutauchen und mit dem Heute zu vergleichen. Sie streift durch ihr altes Viertel in der Innenstadt, das das Zentrum der Nomenklatura, aber auch der Überbleibsel alter mondäner Familien ist. Wie in einem Palimpsest überlagern sich die Schichten von Vergangenheit und Gegenwart. Sie trifft Menschen von damals, Jugendfreunde, frühere Liebhaber, Nachbarn und hört ihre Geschichten, Lieder, Witze und was aus ihnen geworden ist. Treffpunkte sind Gartenlauben, Bars und zum Teil riesige dekadente Wohnungen.  “Wie aus der Zeit gefallen” fühlt sich die Protagonistin, doch hinter der Folie dieser vielen scheinbar malerisch-skurrilen Begegnungen schlummert viel Brisanz, kriegt die Frage nach der Schuldlosigkeit aus dem Titel Bedeutung. Dana Grigorcea erhielt 2015 beim Bachmannwettbewerb den 3sat-Preis.  (Stefanie Hetze)

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Bov Bjerg: Auerhaus

Blumenbar 2015, 235 S., € 18,00, TB 2017, € 9,99
(Stand März 2021)

Bjerg_Auerhaus_U1.inddAchtziger Jahre in der gutbürgerlichen westdeutschen Provinz, die scheußliche Fußgängerzone bildet da fast den Nabel der Welt. Freder, der Freund des 17jährigen Erzählers, landet nach einem Selbstmordversuch in der Psychiatrie. Da Freder nicht mehr bei seinen Eltern leben soll, ist die Alternative ein leerstehendes Haus auf dem Dorf,  Als er, der Erzähler und einige weitere Jugendliche einziehen, drehen sie laut  “Our House” auf, was der Bauer von nebenan als “Auerhaus” versteht. Die Jugendlichen-WG hat ihren Namen weg und ist magischer Anziehungsort für alle, die nicht stromlinienförmig in die Fußstapfen ihrer Eltern und deren vorgefertigte Lebensläufe treten wollen. Es wird sehr viel geredet, gefeiert, geklaut, ausprobiert. Aber endlich ist es dann doch. Das ist traurig,aber unausweichlich. Diese kostbaren Monate “kurz vor” all den Weichenstellungen erzählt Bov Bjerg in einer warmen rhythmischen Sprache. Das erzeugt schon eine leise Wehmut, ist aber völlig unsentimental. Respekt. (Stefanie Hetze) Leseprobe

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